Mittwoch, 21. Januar 2015

Zillertaler Inklinanten 

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Kaiser Ferdinand I. befahl am 21. Januar 1837 für alle am Augsburger Bekenntnis festhaltenden Zillertaler die Emigration.

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Die Zillertaler Inklinanten (auch Zillertaler Emigranten; von lateinisch inclinare ‚neigen‘, ‚ab-‘ oder ‚hinlenken‘) waren eine Gruppe von Evangelischen (des Augsburger Bekenntnisses), die 1837 aus religiösen Gründen aus dem Zillertal vertrieben und im Riesengebirge neu angesiedelt wurden.

Die seit der Reformationszeit erhalten gebliebenen Reste eines geheimen Protestantismus im Zillertal entgingen 1731 der Vertreibung. Als 1816 das Zillertal wieder an das Kaisertum Österreich kam, wurde beim Kaiser die Genehmigung einer evangelischen Gemeindegründung beantragt; die Entscheidung wurde aber verzögert. 

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1829 baten sechs Inklinanten um Religionsunterricht, damit sie aus der römisch-katholischen Kirche rechtskräftig austreten könnten, was ihnen rechtswidrig verweigert wurde. Kaiser Franz I. lehnte am 2. April 1834 die Gemeindegründung endgültig ab und bot eine Umsiedlung in andere österreichische Provinzen mit nichtkatholischen Gemeinden an. Diese Entschließung wurde am 12. Januar 1837 mit einer weiteren kaiserlichen Entschließung seines Sohnes und Nachfolgers Ferdinand bestätigt.

Am 20. Juli 1837 erhielten diese Zillertaler Tiroler die verbriefte Zusicherung, sich in Preußen niederlassen zu dürfen. Zwischen dem 31. August und dem 4. September 1837 – in vier Auswanderungszügen – verließen 427 Zillertaler ihre Heimat. Elf von ihnen wanderten nach Kärnten und in die Steiermark in bestehende Toleranzgemeinden , 416 nach Niederschlesien aus.

Über Linz und Budweis gelangten die Zillertaler nach Schlesien, wo ihnen durch die Fürsorge der Gräfin von Reden (Abb. oben) nach Genehmigung durch König Friedrich Wilhelm III. Ackerland zur Verfügung gestellt wurde. Der König ließ ihnen Zillertaler Höfe nach einem vorab erstellten Musterhaus erbauen. Selbst einen gemauerter Ofen mit Ofenbank und Ofenbrücke besaßen die Anwesen, wie man ihn heute noch im Zillertal/Tirol antrifft. So entstanden Nieder-, Mittel- und Hochzillerthal am Fuß des Riesengebirges im Hirschberger Tal, die 1937 zur Gemeinde Zillertal-Erdmannsdorf zusammengefasst wurden. Die Zillertaler Evangelischen wurden am 12. November 1837 in Schmiedeberg in die evangelische Landeskirche aufgenommen. 1945/46 wurden ihre Nachkommen von den sowjetischen und polnischen Landräubern aus Schlesien vertrieben.

Vorgeschichte: Die Anfänge der protestantischen Religion im Unterinntal gehen weit, bis zum Beginn der Reformationszeit, zurück. Die Ideen Martin Luthers kamen über zwei Kanäle in das Zillertal. Zum einen über die Bergknappen, die in Tirol gearbeitet haben, und zum anderen über die Wanderhändler aus dem Tal selbst.

Im frühen 16. Jahrhundert war der Bergbau in Tirol in seiner großen Blüte. Zahlreiche Knappen zogen als Gastarbeiter der Fürsten, später der Fugger, nach Tirol und arbeiteten vornehmlich in Schwaz, Sterzing, Hall und Brixlegg. Viele von ihnen waren aus Sachsen, dem Kernland der neuen Lehren. Der wirtschaftliche Niedergang des Bergbaues, die Bauernaufstände, die Gefolgschaft vieler Tiroler in der Bewegung der Wiedertäufer hatten das öffentliche Leben radikalisiert. Das heißt, die Ausbeutung weiter Bevölkerungsteile wurde deutlicher bewusst und die Forderungen nach Gerechtigkeit – nicht zuletzt von einem religiösen Engagement getragen – wurden unmissverständlich gefordert.

Zuerst hat sich die evangelische Religion eher im Untergrund verbreitet. Nun aber begannen sich mehr und mehr Gläubige offen zu bekennen. Sie lehnten sich auch, wenn es das Gewissen befahl, gegen die Obrigkeit auf. Obrigkeit und katholische Kirche waren eins. Im Zillertal widersetzten sich viele Protestanten den gegenreformatorischen katholischen Bemühungen.
Man ließ die evangelischen Christen im Zillertal lange Zeit gewähren. Dies hatte verschiedene Gründe. Einer lag darin, dass die „Evangelischen“ nicht an die Öffentlichkeit traten. Sie lasen ihre Schriften und Bücher heimlich, Wanderhändler hatten sie mitgebracht. Sie haben sich als Viehhändler, Sensenschmiede, als Handschuh- und Lederwarenverkäufer, als Granatenhändler oder Ölträger das Brot verdient. Dabei sind sie weit, auch in protestantische Lande, gekommen. In Hamburg und Amsterdam gab es sogar Zillertaler-Handelsniederlassungen. 

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Die Bücher haben sie aus dem protestantischen Preußen mitgebracht. Versammlungen fanden also heimlich statt, in der Regel auf entlegenen Bauernhöfen. Nicht alle Sympathisanten haben sich schon öffentlich bekannt. Die Ausrichtung auf die Lehren Martin Luthers im Augsburger-Bekenntnis war nicht einheitlich. Manche tendierten zum Helvetischen Bekenntnis . Durch so manche Familie ging ein Riss, wenn nur ein Teil den Protestanten zuneigte. Es gab Missionierungsversuche innerhalb der Großfamilien, was nicht ohne Auseinandersetzungen vonstatten ging.  Die Zillertaler Protestanten bekamen auch Besuch von ihren Glaubensbrüdern, Studenten waren darunter und Handwerker, welche die Inklinanten im abgelegenen Tirol im Glauben bestärkt haben.

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1781 erließ Kaiser Joseph II. das so genannte Toleranzpatent (Toleranzedikt). Es war der Mittelpunkt seiner neuen Kirchenpolitik. Nach dem Toleranzpatent haben 1781 im Zillertal ursprünglich nur fünf Personen sich offen zur evangelischen Religion bekannt. Schlagartig änderte sich diese Situation 1826, als unter den evangelisch gesinnten Menschen, die man wegen ihrer ‘Hinneigung zum Protestantismus’ amtlicherseits als ‘Inklinanten’ bezeichnete, im hinteren Zillertal eine religiöse Bewegung entstand. 

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Innerhalb von zehn Jahren bekannten mehr als 400 Zillertaler öffentlich ihren lutherischen Glauben. Die Sprache des Toleranzpatentes war klar. Trotzdem suchte das Kartell zwischen Behörde und Kirche Möglichkeiten, das Patent zu umgehen. Einer der juridischen Kniffe besagte, dass durch die bayrische Herrschaft – im Zuge der Napoleonischen Kriege – dieses Patent „ex lege“ in Tirol ungültig geworden sei. Es bedürfe einer neuerlichen Proklamierung. Man sprach auch von der Gefahr einer ungezügelten Gewissensfreiheit, von Neuerungssucht, von Hochmut und Eigendünkel.
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Hätten sich 500 zu ihrem protestantischen Glauben bekannt, hätten sie – nach den Bestimmungen des Toleranzpatentes – eine eigene Kultusgemeinde gründen können und bleiben können. Die Zahl wurde knapp verfehlt, weil etliche den Drohungen nicht mehr standhalten konnten. Kaiser Franz I. entschied sich entgegen der Intentionen des Kaisers Joseph II. gegen die Protestanten und lehnte das Bittgesuch zur Gründung einer eigenen evangelischen Gemeinde im Zillertal ab.

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Weiterer Verlauf: Im Gebiet von Erdmannsdorf (Schmiedeberg) gründeten die Tiroler ihre Kolonie „Zillerthal“. Die Ansiedler lebten vor allem von der Milchwirtschaft. Sie verstanden sich unter anderem auf Gartenarbeit und errichteten eine große Flachsgarnspinnerei. 1940 lebten dort noch 3.000 Einwohner. Die Gemeinde bestand in ihrer alten Form noch bis 1945. 1945/46 mussten die Tiroler ihre Heimat wieder verlassen. In dem Dorf sind heute noch Formen der Zillertaler Bauweise zu bewundern.
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Der letzte der Auswanderer ist, hochbetagt, 1922 in Schlesien gestorben. Das Gebäudebuch von Hirschberg zählt folgende traditionsreiche Namen als ehemalige Besitzer auf: Fleidl, Brugger, Heim, Rieser, Rahm, Oblasser, Lublasser, Strasser, Schiestl, Kröll, Klocker, Innerbichler, Wechselberger, Kolland, Buchberger, Bair, Geisler, Schönherr, Lechner, Hotter, Hechenpleikner.

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Zwischen 1856 und 1860 wanderten 54 der schlesischen Inklinanten nach Chile aus. Sie siedelten sich am Llanquihuesee an. Heute leben dort noch etwa 600 ihrer Nachkommen.
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