ABCD
Der neue Pitaval ist
eine Sammlung der interessantesten Kriminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer
Zeit. Sie erschien von 1842 bis 1890 in 60 Bänden bei Brockhaus in Leipzig. Begründet wurde sie von Julius Eduard Hitzig
und Wilhelm Häring (Künstlername: Willibald
Alexis ), fortgeführt von Anton
Vollert. Aus dem Neuen Pitaval von 1844:
Rosenfeld
Der neue Messias in Berlin *
Zu Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sah man in der Uckermark, in
der Priegnitz und auch im benachbarten Mecklenburgischen einen Mann
herumstreifen, dessen Kleidung und dessen Wesen nicht viel von denen eines
Bettlers verschieden waren. Er bat aber nie um eine Gabe, sondern höchstens um
einen Trunk Wassers, und zuweilen wohl auch um ein Nachtquartier, wenn man ihm
nicht mit einer Einladung dazu zuvorkam. Ihm schien es nur darum zu tun, mit
denen, die er besuchte, ins Gespräch zu kommen, und zu dem Zwecke machte er
sich meistens an Schäferknechte hinan, die er auf dem Felde traf, ging jedoch
auch in einsam gelegene Häuser, wo Tagelöhner, Weber oder sonst arme
Handwerker wohnten.
Zunächst
trug der Mann einen grünen Jägerrock; dann aber, als dieser Rock verschossen
und zerrissen war, näherte sich seine Erscheinung immer mehr der eines Bettlers
und hatte beinahe etwas Unheimliches, ja man konnte sie geradezu
schreckenerregend nennen. Sein Gesicht war blass und erdfarben, die Augen lagen
tief im Kopfe, und der Körper hatte eine schlaffe Haltung. Man brauchte jedoch
keine Furcht wie vor einem gewöhnlichen Abenteurer zu hegen, der abends als müder
Wanderer um eine Herberge bittet und morgens als Dieb verschwunden ist. Man kannte
seinen Namen, er hieß Rosenfeld, und der grüne Jägerrock war ein letzter Überrest
aus seinem früheren Jägerdienst beim Markgrafen von Schwedt.
Zwar
führte er kein Geld in der Tasche, aber am Kinn trug er einen langen Bart, der
nicht den Räuber, sondern den Propheten verkündete. Manchmal trat er an einen
Hirten mit einem biblischen Gruß hinan, schlug dann aber, wenn der Hirt
geantwortet hatte, plötzlich die Augen gen Himmel auf und wandte dem
Angeredeten mit einem Seufzer den Rücken: so schnell ging er immer von denen
fort, die seinen Gruß nicht so erwiderten, wie er es wünschte. Wo er aber empfänglichen
Grund für den Samen fand, den er ausstreuen wollte, ließ er sich in längere
religiöse Gespräche ein.
Einmal
glaubte er im Dorfe Stendal bei Schwedt eine andächtige Versammlung gefunden zu
haben, die gern auf seine Predigten hörte und seinen Lehren zugänglich wäre;
als er aber, erwärmt von ihrer Aufmerksamkeit, die Arme erhob und zu
prophezeien anfing, sagten sie, er sei nicht gescheit, worauf er sich enttäuscht
hinwegbegab.
Rosenfeld
erscheint schon jetzt, wie auch während seiner ganzen späteren sieggekrönten
Laufbahn, nicht als Fanatiker, der mit eiserner Stirn Mauern einrennen und mit
der Fackel der Begeisterung die Welt in Brand stecken will. Sein Feuer war
eines, das still brannte; er wartete auf Zeit und Gelegenheit und verstand die
Kunst der Berechnung. Er schwieg, wenn er bei den Leuten im Dorfe keinen Glauben
sah, blieb aber, wenn sie ihn einluden, eine Zeitlang in der Gemeinde und ließ
sich die gute Aufnahme gefallen. Später ergab sich, dass die Tochter eines
Hauses, in dem er gastlich gepflegt worden war, von ihm schwanger geworden war.
Er hatte jedoch, um sie sich gefügig zu machen, ausnahmsweise keine
Prophezeiungen und keine frommen Sprüche
angewandt: der Religionseifer hatte gerade während dieser Zeit in ihm geruht,
um sich in der Stille zu neuen Offenbarungen zu stärken.
Nach
den Akten taucht er erst wieder um 1765 in der Gegend von Prenzlau auf. Seine
Erscheinung war hier schon viel armseliger und sein Blick irrer geworden. Er war
der Prophet, der in langer Beschaulichkeit zu der Gabe gelangt war, nach der
seine Seele dürstete. Einmal trat er zu Dedelow in das Haus eines Schäfers,
bat um einen Trunk Wasser und sprach dann, indem er die Schale aufhob, mit
bedeutungsvollem Tone zu Mann und Frau: »Kinder, so ihr nur wüsstet, wer ich
bin!« Als sie ihn fragten, wer er denn sei, fuhr er fort: »Ich bin der Bote
Gottes, ausgegangen, seine Schafe zu suchen. Von mir ist im Propheten Micha IV,
8 geweissagt: Du Turm Eder, eine Feste der Tochter Zion, es wird deine goldene
Rose kommen, die vorige Herrschaft, das Königreich der Tochter Jerusalem!«
Da
er gläubige Zuhörer fand, führte er noch ein langes biblisches Gespräch mit
ihnen, wie die Umkehr gerade in dieser Zeit not tue; es werde bald die Zeit
kommen, dass die Gerechten das Land beherrschen würden, das verheißene Reich
– das Hauptthema seiner Verkündigungen, über das sich seine Vorstellungen
freilich erst später vollständiger ausbildeten.
In
diesem Hause hatten die Funken gezündet. Mann und Frau baten den gottseligen
Mann dringend, dass er länger bei ihnen verweile; er blieb also mehrere Tage
bei ihnen und kam dann noch oft wieder. Diese Anhänger in Dedelow blieben ihm
auch nach seinem Sturze treu; sie hielten ihn auch dann noch für einen Mann
Gottes, als seine große Prophezeiung nicht eingetroffen war. Zu beiden hatte er
nämlich gesagt, sie möchten auf das Jahr 1770
achtgeben, es werde da eine große Wandlung geschehen. Sie achteten also auf
alles, was in diesem Jahre geschah, die Frau aber musste später vor Gericht
eingestehen, es sei doch gar nichts Merkwürdiges in dem Jahre vorgekommen, der
heilige Mann müsse sich wohl im Jahre verrechnet haben.
Bald
war nun Rosenfeld nicht mehr der umherirrende Vagabund, den man hier auslachte,
dort aus Mitleid und Neugier aufnahm. Sein Name war auf dem flachen Lande weit
verbreitet, er kannte alle seine Anhänger in jedem Orte, und bald bildete sich
eine stille Gemeinde um ihn her. Wo er anklopfte, wurde er freudig empfangen,
man drang in ihn zu bleiben, jeder schätzte es für ein Glück, wenn der Mann
Gottes bei ihm Einkehr hielt.
Nach
und nach bildete sich nun auch die Methode heraus, mit der er den einfachen
Leuten vom Lande am besten beikommen konnte.
Gewöhnlich
fing er damit an, in vielen Bibelstunden, von der jetzigen Verderbtheit des
Menschengeschlechts und der bösen Welt, in der Recht und Gerechtigkeit verdreht
seien, zu reden. Das war ja das ewige Thema, das die Leute von den Zeloten aller
Kanzeln immerfort zu hören gewohnt waren. Die Verderbtheit der Welt legt sich
jeder aus, wie er Lust hat. Jeder hat über Unrecht, das ihm widerfahren ist, zu
klagen, und die uckermärkischen Landleute hatten besondere Ursache dazu; denn
der Siebenjährige Krieg war kaum vorüber, und schwere Abgaben, wie die harte
Akzise, drückten sie neben anderen allgemeinen Nöten.
Wenn
der Prediger auf diese Weise leichten Eingang bei ihnen gefunden hatte, folgten
zuerst allerlei allgemeine Besprechungen von einem Erretter aus diesen Trübsalen,
einem Wiederherstellet des gekränkten Rechts, einem Heiland und
Erlöser. Zwar war ein solcher Heiland schon dagewesen. Er sprach sich über
diesen wichtigen Punkt zuerst ungewiss aus und hielt sich in verschwommenen
Ausdrücken eine Tür offen, um später, wenn er seine Zuhörer dafür reifer fände,
noch mit anderen Offenbarungen darüber hervorzutreten. Inzwischen zitierte er
Bibelstellen, die von einem zweiten, künftigen Heiland redeten, wie Matth. III,
11: »Und er hat seine Worfschaufel in seiner Hand; er wird seine Tenne fegen
und den Weizen in seine Scheunen sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit
ewigem Feuer«, oder Röm. XI, 26: »Es wird kommen aus Zion, der da erlöse,
und abwende das gottlose Wesen von Jakob.« Dazu kamen dann noch andere, in
denen davon die Rede war, dass Christus zum zweitenmal auf die Welt kommen
werde, um die Menschen zu richten. Daneben sprach er auch schon aus, der Jesus,
der auf Erden gelebt habe, sei nur ein prophetisches Luftbild, eine Art Fata
Morgana des Jesus gewesen, der noch kommen müsse und werde. Ja, wenn er Zuhörer
vor sich hatte, deren Glauben ihn zu erwärmen schien, überkam es ihn wie ein
heiliges Feuer der Erkenntnis, und er rief aus, Christus sei ein falscher
Messias gewesen; der richtige sollte doch gekommen sein, um die Welt vor Sünde,
Tod und des Teufels Gewalt zu erretten, und diese drei Dinge seien nach wie vor
noch in der Welt; das sei kein rechter Christus gewesen, der gen Himmel gefahren
wäre und seine Jünger im Stich gelassen hätte. Endlich ging er noch weiter
und erklärte die ganze Heilsgeschichte für unwahr; das Neue Testament sei als
Erdichtung zu verwerfen.
Nachdem
er so weit gegangen war, ergab sich die praktische Folge von selbst. Er schalt
auf die Prediger als Propheten der Unwahrheit, er eiferte gegen das
Kirchengehen, gegen die Taufe, gegen den Genuss des Abendmahls, gegen
alle geistlichen Bücher mit Ausnahme des Alten Testaments. Endlich zog er auch
gegen alle weltlichen Obrigkeiten vom Dorfschulzen an bis zum Könige in den härtesten
Ausdrücken zu Felde.
Es
spricht für den wunderbaren Einfluss, den er schon auf die Gemüter dieser Einfältigen
erlangt haben musste, dass wir von keinerlei Art Widerspruch hören. Das
Landvolk in jenen Gegenden betrachtete die Obrigkeiten als von Gott eingesetzt.
Wer musste der Mann sein, der sich sogar gegen einen König wie Friedrich den
Großen solche Angriffe erlauben durfte? Und was mehr war als gegen den König
und seine Diener, auch gegen die geistlichen Bücher, die sich in jenen
Bauernfamilen als Heiligtümer von Kind zu Kindeskind vererben, und selbst gegen
den Hauptteil der Bibel, gegen das Neue Testament? Das Volk gegen die Prediger
aufzubringen, war an und für sich nicht schwer. In jenen Gegenden, in denen
religiöse Schwärmerei immer eine Heimstatt gehabt hat, finden sich unter den
Landleuten die allerstrengsten Kritiker nicht nur des Lebenswandels, sondern
auch der Dogmen ihrer Geistlichen, und die geringste Abweichung von den alt überkommenen
Vorstellungen macht sie zu den strengsten Richtern, Gegnern und Anklägern ihrer
Pfarrer. Diesmal, vermutlich nach langer Dürre, schlug der Gewitterregen einer
religiösen Begeisterung so tief in den durstenden Boden, dass er mit den
Predigern auch die Postillen, Gesangbücher und sogar das Neue Testament
fortschwemmte. Einer der neu Bekehrten, der Schlosser Zimmermann aus Berlin,
warf nach einer Versammlung, in der Rosenfeld seinen ganzen Hass gegen die
falschen geistlichen Bücher entladen hatte, seinen ganzen Vorrat davon ins
Feuer.
Bei
der späteren gerichtlichen Vernehmung seiner Jünger kamen zwar die
verschiedensten Zeugnisse, je nach den verschiedenen Auffassungsgaben der
einzelnen, zutage, in mehreren Punkten aber stimmten sie vollkommen überein; ja
für einige Lesesätze bedienten sie sich sogar derselben Worte, die natürlich
die des »Meisters« selbst waren. So hieß es, der auf Golgatha gekreuzigte
Messias sei nur die Verheißung des künftigen; Christus sei verflucht, weil er
am Holze gehangen habe, und wer an ihn glaube, sei verdammt – ein Punkt, in
dem man eine Annäherung an die Grundsätze der Gnostiker zu entdecken glaubte
–; die ganze Lehre von seiner Kreuzigung sei eine heidnische Fabel; der
Christus, der zu Jerusalem seinen Einzug gehalten habe, sei ein Hurensohn, ein
Dieb, ein Zuhälter. Durch das Abendmahl genössen die Menschen den Teufel; es
sei ein Götzenopfer, vom Drachen gesetzt. Nach der Meinung der Christen heiße
das ja nichts anderes, als Gott verschlingen. In der Taufe würden die Kinder
dem Könige verkauft, der der Teufel wäre. Durch diese Taufe solle der unreine
Geist ausgetrieben werden; demnach also müsse Gott den Menschen einen unreinen
Geist eingegeben haben. Die Taufe sei nach Röm. VI, 3: »Wisset ihr nicht, dass
alle, die wir in Jesum Christum getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?«
und 1. Kor. XV, 29: »Was machen sonst, die sich taufen lassen über den Toten,
so allerdings die Toten nicht auferstehen? Was lassen sie sich taufen über den
Toten?« ein Bund mit dem Tode. Die Obrigkeiten seien krumme Schlangen und der König
ihr Oberster, nämlich der Beelzebub, der den Mammon mehr liebe als Gott. Der König
sei der ägyptische Pharao, der rote Meerdrache, der große Drache.
Das
wurde von Rosenfeld nicht allgemein figürlich oder etwa von den Königen im
allgemeinen, sondern von dem damals regierenden König von Preußen, von
Friedrich dem Zweiten, ganz speziell gesagt. Über den Markgrafen von
Schwedt führte er den staunenden Landleuten als bestimmte Tatsache
folgendes an. Als ihn der Markgraf von Schwedt auf der Jagd einmal vertraulich
gefragt habe, wer er, der Markgraf, nach Rosenfelds Meinung eigentlich sei, habe
er ihm geantwortet: »Der Drache!« Der verstorbene Markgraf sei darauf nicht
zornig geworden, sondern habe geantwortet: »Du hast recht, der bin ich auch.«
Von
Rosenfeld scheint man nichts Schriftliches über seine Lehre zu besitzen.
Entweder hütete er sich aus weltkluger Vorsicht davor, etwas niederzulegen,
oder er ahmte größere Vorbilder damit nach. Von zweien seiner eifrigsten Anhänger
und Apostel hat man dagegen einen Hirtenbrief, der in Abschrift dem Prediger
Fehland zu Biesenthal, einer Domäne unfern Berlin, zugeschickt wurde. In diesem
Briefe heißt es ganz im Stil der Apostelbriefe unter anderem auch über die
Prediger: »Im Alten Testament hat Gott zwar Priester verordnet, im Neuen
Testament aber wieder aufgehoben. Jeremias XXXI, 33, 34, sagt: ›Ich will mein
Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben; und wird keiner den andern
noch ein Bruder den andern lehren und sagen: Erkenne den Herrn!, sondern sie
werden mich alle kennen, beide, klein und groß, spricht der Herr.‹ Die
Priester sollten auch keine Platten tragen und den Bart nicht abscheren und ohne
Fehl sein, welches ich bei den jetzigen Priestern nicht finde; sondern sie sind
gestaffiert, so wie Baruch die Götzenbilder beschreibt. Und Pharao hatte auch
Priester, und Pharao war doch der Drache; also waren die Priester im Lohn. Die
jetzigen Priester treiben Kaufmannschaft, tun nichts um Christi willen, sondern
um Geld, weil sie's um Geld empfangen haben. Welches ich ihm auf göttlichen
Befehl zuschreibe, und ihm also verkündige, dass seine Uhr ausgelaufen ist, und
seine Verführung wird ein Ende haben.«
Diese
letzte Drohung galt dem schon genannten Prediger Fehland in Biesenthal, und der
Verfasser des Briefes gestand auch, dass er ihn in der Absicht geschrieben habe,
Fehland zur Verteidigung zu veranlassen; die letzte Stelle aber bedeute, dass über
solche Irrlehrer das Gericht Gottes hereinbrechen werde. Der Verfasser dieses
Briefes, Richter, einer der eifrigsten Rosenfeldianer, gestand auch, auf das
Vorderblatt eines Gesangbuches geschrieben zu haben: »Fehland ist ein
Hurenmeister; denn er verführt ja die Leute zur geistlichen Hurerei. Die Bilder
in der lutherischen Kirche sind Bilderdienst und Abgötterei, also geistliche
Hurerei. Das Gesangbuch ist ein Zauberbuch, denn es ist von menschlichen Händen
gemacht, und Salomo sagt: Viel Predigen macht den Geist müde, und des Büchermachens
ist kein Ende. Die Kirche ist in vielen Stellen der Bibel ein Hurenhaus genannt.
Man braucht nicht in die Kirche zu gehen, wo noch dazu so viel Gotteslästerliches
gepredigt wird; sondern man braucht nur fromm und in Gerechtigkeit und
Rechtschaffenheit zu wandeln.«
Die
Gemüter seiner Anhänger schienen Rosenfeld mit diesen Lehren endlich so weit
vorbereitet zu sein, dass er wagen konnte, mit dem großen Satze hervorzutreten,
den freilich auch jetzt noch nur die Eingeweihtesten unter den Eingeweihten klar
und deutlich zu hören bekamen: Der Heiland Jesus war nicht der wahre Heiland,
also muss der wahre Heiland noch erscheinen, und dieser zweite Heiland bin ich
selbst, von Gott zur Erlösung der Welt gesandt. Rosenfeld nahm nur einen nach
dem andern in die Weihe dieser letzten Erkenntnis auf. Auf die Frage hin,
weshalb er diese Vorsicht beobachtet habe, antwortete er: »Es
wäre ja töricht gewesen, gleich einem jeden zu sagen, dass ich der bin.«
Denen
aber, denen er sich zu erkennen gab, versprach er, wenn sie ihm treu
nachfolgten, ewiges Leben schon hier auf der Erde. Er sprach diese Versicherung
so unbedingt aus und half sich nicht durch eine zweideutige, dunkle Verheißung,
dass er im Gegenteil gegen die Prediger vorzugsweise um deswillen zu Felde zog,
weil sie den Tod verkündeten. Wenn jemand von seinem Anhang starb, sagte er zu
den Zweiflern, der Gestorbene hätte es noch nicht treu genug gemeint. Selbst
vor Gericht wiederholte er diese Antwort: nur in diesem Punkte blieb er sich
selbst bis zuletzt treu.
Über
diese seltsamste und, wie es uns scheint, für ihn gefährlichste Lehre hatte er
sich eine eigene Beweistheorie gebildet. Gott hatte die Menschen zunächst zum
ewigen Leben geschaffen. Als aber der Mensch Gottes Gebot übertrat, fiel Gottes
Zorn auf ihn und übergab ihn dem Tode. So herrschte der Tod von Adam bis auf
Moses (Röm. V, 14). Moses führte die Kinder Israel aus Ägypten, legte ihnen
Leben und Tod vor und gab ihnen die Wahl. Das bewies er aus 5. Mos. XXX,
15–19: »Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod
und das Böse. – Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwähltest und du und dein Same leben mögest.« Das ewige Leben
war nämlich die Verheißung, die Gott Abraham gegeben hatte. Aber alle waren
ungehorsam. Da kam statt der Verheißung das Gesetz. Die Gnade kann nicht durch
das Gesetz erworben werden. So kam der Zorn Gottes über uns, und wir müssen
sterben, bis der Zorn Gottes ein Ende haben wird, das ist, bis Christus kommt,
der der verheißene Same und des Gesetzes Ende ist. Der wird den Tod
verschlingen und den Bund mit dem Tode lösen. Dann sollen wir wieder im Lande wohnen, das
Gott Abraham, Isaak und Jakob zugesichert hat. Gott will nicht das Leben
wegnehmen. Auferstehen ist ablassen von Sünde, und Gott sagt: »Ich will ihnen
heraushelfen von allen Arten, da sie Unrecht getan haben.«
Es
versteht sich, dass jeder dieser Sätze, ja auch jedes Wort in ihnen durch
Bibelstellen belegt war, die hier natürlich nicht aufgeführt werden können.
Es bewährte sich jenes alte Wort, dass aus den Buchstaben der Bibel sich alles
beweisen lässt, und noch besser aus denen ihrer Übersetzung.
Rosenfeld
war sicherer geworden und sein Anhang größer. Er trat nunmehr vor allem mit
der Erklärung hervor, dass er der wahre Messias sei, Gott der Sohn, der wahre,
einzige allmächtige Gott, der Herr aller Herren und König aller Könige.
Seine
Gemeinde glaubte alles. Solche Dinge hatte noch kein Religionsstifter seinen Anhängern
verheißen. Wie sollten die, die an ihn glaubten, nicht alles für ihn opfern!
Willig brachten ihm die armen Leute, was sie nur erschwingen konnten. Aber er
selbst forderte nie etwas und äußerte nie seine Unzufriedenheit, wenn ihm das
Geschenk etwa zu gering schien, wenigstens niemals in Gegenwart des Gebers. Er
nahm alle Geschenke mit den Worten an, was sie ihrem Heiland Gutes täten, das täten
sie sich selbst zugut. Später übte der neue Heiland eine andere Taktik, er
nahm fast gar nichts mehr von seiner Gemeinde an und gab selbst von dem, was er
schon erhalten hatte, einen ganzen Teil zurück. Es braucht kaum angedeutet zu
werden, wie dadurch der Glaube seiner Anhänger wiederum neue Nahrung gewann.
Sein
Lebensunterhalt war durch die Spenden, die ihm in
reichem Maße zuflossen, gesichert. Der Heiland war aber auch ein Mensch mit
einem von Jugend auf sehr starken Geschlechtstrieb. Plötzlich vertraute er
seinen Anhängern an, dass er den Schlüssel zum verschlossenen Paradiese und
das Buch des Lebens besitze, das, nach der Beschreibung in der Offenbarung
Johannis, mit sieben Siegeln versiegelt sei. Um das Erlösungswerk zu vollenden,
müsse er die Siegel öffnen, und dazu müsse er sieben Jungfrauen haben.
Mit
dieser merkwürdigen Forderung trat er schon während seines Aufenthaltes in
Prenzlau hervor. Der Glaube seiner Anhänger war so blind, dass die im bürgerlichen
Sinne höchst ehrbaren Leute vor der Forderung nicht erschraken; sie würden
ihrem Heiland gern zu Dienst gewesen sein, aber sieben Jungfrauen waren in der
Prenzlauer Gemeinde damals nicht aufzutreiben, und die Erfüllung seines
Begehrens blieb bis auf eine spätere Zeit ausgesetzt.
Es
entsteht die Frage, woher Rosenfeld solche Anhänger nahm, eine Frage, deren
Beantwortung Gebiete berührt, die über unsere kriminalistische Sphäre weit
hinausgehen. dass in Pommern, den Marken und Niederschlesien unter dem Volke
eine große Neigung zur religiösen Sektiererei besteht, dafür liegen aus allen
Zeiten Beweise vor. Vor allem unter Webern, Schneidern und Schäfern, die zu
sitzender oder untätiger Lebensart verurteilt sind, wirkte gerade hier der
beschauliche Sinn so mächtig auf die Phantasie ein, die aus der Armut der
Umgebung keine Nahrung zu schöpfen fand, dass in ihnen das Verlangen nach einer
unmittelbaren Offenbarung aus der übersinnlichen Welt rege wurde. Da ihre
protestantischen Kirchen und die damaligen rationalistischen Prediger diesen
Durst in keiner Weise stillen konnten, waren diese Armen darauf angewiesen, ihn
aus anderen Quellen zu befriedigen, und dabei gelangten sie wohl auch oft zu trüben
Brunnen. Das ist freilich noch lange keine erschöpfende Erklärung für Erscheinungen dieser
Art, die sich freilich überhaupt nicht völlig erklären lassen; aber es ist
eine tatsächliche Wahrnehmung, dass solche Verirrungen in Gegenden, in denen
eine reichere Natur die Phantasie des Müßigen anregt – bei den eigentlich Tätigen
treten sie überhaupt weit seltener auf – lange nicht so oft vorkommen. Über
die Schwärmer, Pietisten und Stillen im Lande während des philosophischen
Jahrhunderts in den damals ruhigen Straßen Berlins, dem Halleschen Tore zu, aus
denen sie freilich jetzt Lokomotivenlärm und Wagengerassel längst verscheucht
haben, besitzen wir in Nicolais Schriften (»Sebaldus Nothanker«) Mitteilungen,
die allerdings für die Geschichte interessanter sind als für die Philosophie.
Unter
seinen Anhängern erscheint als einer der bedeutendsten der Schäfer Gumto, gebürtig
aus dem Mecklenburg-Schwerinischen, der seine Bekanntschaft gemacht hatte, als
er um das Jahr 1765 in Prenzlau in Diensten stand. Der Ruf des Wundermannes war
aus den umliegenden Dörfern schon zu ihm gedrungen, als Rosenfeld eines Abends
an seine Tür klopfte und um ein Nachtlager bat. Beide waren bald in einem
eifrigen Gespräch, das sich zum größten Teil aus Bibelsprüchen
zusammensetzte. Als beim Abendtischgebet der Name Jesus genannt wurde, sagte
Rosenfeld: »Jesus mag wohl schon bei euch am Tische sitzen, ihr kennt ihn nur
nicht.« Ehe er von der Familie Abschied nahm, schrieb er verschiedene Sprüche
auf und empfahl Gumto, über sie nachzudenken. Als er dann wiederkam, besprach
er diese Bibelstellen mit ihm. Nach mehreren Besuchen entdeckte sich Rosenfeld
dem erstaunten Gumto und seinem Weibe als den Heiland der Welt, durch den alle
erlöst und gerettet werden würden. Zwar sei schon einer vor ihm gewesen, der
sich dafür ausgegeben habe, aber der sei nicht der rechte gewesen. Er sei der erste Held, der die
Menschen, ohne dass sie stürben, ins Himmelreich bringen könne. Die Prediger,
die vom Tode redeten, seien Lügner. Er habe die Schlüssel des Paradieses und
das Buch des Lebens. Das Buch des Lebens sei aber mit sieben Siegeln
verschlossen, und um es zu öffnen, brauche er sieben Jungfrauen. Diese wären
schon von Anbeginn der Welt an dazu ausersehen, und unter ihnen befänden sich
auch die drei Töchter des Gumto, die er ihm übergeben müsse. Täte er es
nicht, so würden alle Seelen über ihn Ach schreien. Wenn er selbst aber nicht
der rechte Heiland sei, so sollten alle Strafgerichte und Flüche, die sonst auf
Gumto fallen würden, ihn selber treffen.
Gumto
war ein äußerst ehrlicher Charakter, dessen Frömmigkeit aber schon an Einfalt
grenzte. Er war bereits so von Rosenfeld eingenommen, dass er alles glaubte, was
dieser vorbrachte. Er erschrak über den Gedanken, dass alle Seelen verloren
gehen und über ihn Ach schreien sollten. Aus wahrhafter Gewissensangst, durch
seine Weigerung seine Mitmenschen ins Verderben zu stoßen, willigte Gumto in
alles. Seine Töchter waren aber damals noch zu jung; die Eröffnung der sieben
Siegel des Buches des Lebens wurde also aus diesem Grunde nochmals verschoben.
Gumto
sollte übrigens der erste Märtyrer seiner Sekte werden. Nachdem er sich als
Schäfer nach Lichen verdungen halte, wurde seine Verbindung mit Rosenfeld
ruchbar. Man wollte hier keine Sektierer zu irdischen Schäfern haben und entließ
ihn. Er ging nach Berlin und nährte sich hier als Tagelöhner, bis er aufs neue
mit Rosenfeld in nähere Verbindung trat, alles, was er besaß, zur Glorie des
neuen Heilands und zur Errettung des Menschengeschlechts opferte, endlich aber
in vollem, ehrlichem Glauben an ihn wider Willen zum Verräter an ihm wurde und sein Ende herbeiführte.
Eine
Hauptstation in Rosenfelds Wirksamkeit wurde bald darauf das Städtchen
Biesenthal, das vier Meilen von Berlin entfernt liegt und damals von allen
Hauptstraßen abgelegen war, während man es jetzt auf der Stettiner Eisenbahn
in einer halben Stunde von Berlin aus erreichen kann. Diese isolierte Lage hat
dort auch zu anderen Zeiten Impulse eigentümlichen Lebens hervorgerufen, und
auch der neue Heiland fand hier außerordentlichen Zulauf. Sein Anhang wurde so
zahlreich und trat zugleich so laut auf, dass man jetzt von seiner Person und
seinem Treiben auch in Berlin hörte.
Ein
erstes offizielles Dokument über ihn ist der Bericht des Amtes Biesenthal an
die Regierung vom 19. August 1768, in dem es heißt, dass das ganze Städtchen
voll Unruhe sei; ein gewisser Rosenfeld gebe sich für den Messias aus und lebe
davon. Sein Anhang bestehe schon aus fünfundzwanzig Personen, mit denen Polizei
und Justiz nicht mehr auskommen könnten. Die ganze Stadt sei erregt und in zwei
sich heftig bekämpfende Lager geteilt: Gläubige und Ungläubige. Die
Rosenfeldianer nämlich suchten die anderen zu bekehren, und in ihrem Eifer
gegen die Unbekehrten störten sie oft den Frieden zwischen den Eheleuten und
wiegelten die Kinder gegen ihre Eltern auf. Niemand sei in dieser Hinsicht
eifriger als der Garnweber Glanz, der den neuen Messias in seinem Hause
aufgenommen habe. Die aber, die sich nicht von ihm bekehren lassen wollten,
seien nun andrerseits ebenso ergrimmt über seinen Bekehrungseifer und hätten
ihm die Fenster eingeworfen. Ja sie hätten sogar gedroht, sein Haus in einen
Steinhaufen zu verwandeln, wenn er nicht von Rosenfeld abließe, ihn fortjage
und die sektiererischen Versammlungen
einstelle. Glanz aber sei so vernarrt in den neuen Heiland, dass er sich aus
alledem nichts mache, und so sei das Äußerste zu befürchten.
Dazu
kam es jedoch nicht. Rosenfeld wurde mitten in einer Gläubigenversammlung
aufgehoben und verhaftet. Der Weber Glanz, sein Wirt, wollte durchaus zum Märtyrer
für ihn werden und bat, ihn mitzuverhaften. Das wurde ihm diesmal aber noch
nicht gewährt. Dagegen trat unerwartet ein anderer seiner Anhänger als sein
Ankläger auf, Richter. Dieser Mann, der ihm bis dahin treu ergeben war und uns
schon als der Verfasser oder Mitverfasser des angeführten Hirtenbriefes bekannt
ist – auch der Beweis für das ewige Leben auf Erden soll von ihm herrühren
–, also jedenfalls einer der bedeutendsten und tätigsten Anhänger seiner
Sekte, gab zu Protokoll, er halte sich für verpflichtet, die Irrlehren des Bösewichts
Rosenfeld dem Gericht anzuzeigen. Rosenfeld behaupte nämlich, der Heiden Zeit
sei um; er sei als Jesus und Gott gekommen; wenn er nur erst die vierundzwanzig
Ältesten zusammengebracht habe, würde er den königlichen Stuhl umstoßen, dem
Könige das Schwert abfordern und mit seinen vierundzwanzig Königen den ganzen
Erdkreis richten. Seine Anhänger brauchten nicht mehr zu arbeiten. Er,
Rosenfeld, werde jetzt gefangen gesetzt werden: zum sechsten und zum letzten
Male – er war wirklich schon fünfmal, wahrscheinlich aber nur wegen
Vagabundierens arretiert gewesen –; wenn er dann wieder entlassen werde, gehe
sein königlicher Stand an. Übrigens treibe Rosenfeld mit den Töchtern seiner
Anhänger Unzucht.
Derselbe
Richter, der seinen Meister hier so hart anklagte, erscheint aber bald darauf
wieder als sein getreuester Anhänger, ein neuer Beweis für die ungeheure
Macht, die Rosenfeld innewohnen musste. Richter schlug freilich
später noch einmal um, da seine gesunde Vernunft zuletzt doch noch die
Oberhand behielt.
Unerschüttert
ging dagegen der Weber Glanz am anderen Tage aufs Amt, um seinen gefangenen
Meister zu besuchen. Dabei erklärte er laut, Rosenfeld sei der Gesalbte des
Herrn, er wisse von keinem anderen und lasse nicht von ihm. Er tobte so lange,
bis man es für geraten fand, auch ihn festzunehmen. Dem einundfünfzigjahrigen
Manne, der als ein höchst fleißiger und ordentlicher Arbeiter bekannt, aber
bei seinem beschränkten Verstand und seiner tiefsinnigen Gemütsart
enthusiastischer war als irgendein anderer Anhänger der Sekte, ja als deren
Meister selbst, konnte nichts willkommener sein, und er drängte sich ordentlich
zu dem Verhör, um seinem Bekenntnis, das ihn bedrückte, Luft zu machen.
Zur
Beichte war er seit zwei Jahren nicht gegangen, aber nur, weil er den
Beichtgroschen nicht hatte erschwingen können. Dagegen antwortete er auf die
Frage, ob er nicht wisse, dass Zusammenkünfte, wie sie in seinem Hause gehalten
würden, verboten wären, man käme ja auch ganze Nächte zusammen, um Karten zu
spielen. Feierlich und fest erklärte er, dass er Rosenfeld für den Messias
halte, denn die Schrift lehre es ihn, wobei er sich wieder auf den Spruch Micha
IV, 8: »Du Turm Eder, eine Tochter der Feste Zion« usw. berief. Außerdem sage
es ihm der Geist Gottes, denn er bitte Gott täglich mit Seufzen, ihm den
rechten Weg zu Gott zu zeigen, und im Gewissen sei er fest davon überzeugt, dass
Rosenfeld selbst Gott sei. Rosenfeld verspräche ihnen das Gnadenreich, das auch
der alte Gott ihnen versprochen habe. Es werde schon hier auf der Erde
aufgerichtet werden, wo ja auch das Paradies gewesen sei, und in der Heiligen
Schrift stände ganz deutlich, die Gerechten sollten das Erdreich besitzen
ewiglich.
Auf
die Frage hin, ob Rosenfeld nicht gesagt habe, dass nach seiner Gefangenschaft
seine königliche Herrschaft beginnen würde, erklärte er, davon wisse er
nichts; nur das sei ihm bekannt, dass in der Schrift stehe: »Aus sechs Trübsalen
will ich dich erretten, und in der siebenten soll dir kein Leid widerfahren.« dass
Rosenfeld mit seinen Töchtern Unzucht verübt habe, sei ihm nicht bekannt;
als man ihn aber ganz allgemein fragte, ob er das für etwas Unrechtes halte,
rief er aus: »Nein, Rosenfeld hat einen göttlichen Geist, er ist ein Gesalbter
des Herrn. Bei anderen wäre es freilich eine Sünde.«
Noch
entschiedener und fanatischer äußerten sich einige andere in Biesenthal
verhaftete Sektierer, ein gewisser Beck und seine Frau und ein gewisser Seifart
uno seine Frau. Auch diese vier erklärten, dass Rosenfeld der wahre göttliche
Messias sei, und protestierten heftig gegen Jesus und seine Göttlichkeit. Ihr
Vertrauen ging noch weiter als das des Webers Glanz. Sie erklären einstimmig,
wenn ihr Herr und Meister Rosenfeld nur erst stark genug wäre, würde er die königliche
Majestät selbst vom Throne stürzen und nötigen, ihm die Schuhe nachzutragen.
Ein Rosenfeldianer könne mit der Frau und der Tochter eines jeden
Glaubensgenossen verkehren, nur nicht mit Christen, das wäre ebenso, als wenn
er es mit Vieh täte. Wenn das Jahr 1770 herankomme, würde man alles das über
Christus erfahren, was sie jetzt nicht sagen dürften.
Die
Untersuchung zog sich sehr in die Länge, da man von Gerichts wegen nach allen
Orten schrieb, in denen eine Voruntersuchung gegen Rosenfeld stattgefunden
hatte. Inzwischen wurde im Dezember 1769 ein Urteil gefällt, dessen
wesentlicher Inhalt der war, dass Rosenfeld im Berliner Irrenhause bis zur Probe
seiner Besserung eingesperrt werden, jeder seiner Anhänger aber zur Strafe ein Jahr lang in Spandau
sitzen solle.
Dadurch
ward das Übel aber nur noch ärger. In Biesenthal wuchs die Gemeinde, die so
viele Märtyrer aufzuweisen hatte, von Tag zu Tag. Besonders tätig waren die
zurückgebliebenen Glieder der Glanzschen Familie, Sie wollten sich ihres
Familienhauptes würdig zeigen. Dem Verbot und der Strafe zum Trotz versammelten
sie sich wieder in demselben Hause, nur in noch größerer Zahl, und verkündeten
laut jedem, der es hören wollte, der neue Messias werde wiederkommen mit Feuer
und Schwert, und der Prediger Fehland würde das erste Schlachtopfer sein.
Es
entstand ein förmlicher Tumult. Einige drangen zum Prediger Fehland selbst ins
Haus und betrugen sich gegen ihn auf die unanständigste Weise. Es schien, als
ob sie noch Schlimmeres gegen ihn im Schilde führten. Man warf zerrissene Blätter
eines Gesangbuches aus dem Fenster und rief den Kindern zu, sie sollten damit
Karten spielen.
Besonders
tätig war dabei jener abtrünnige Gläubige, der kurz vorher eine Art
Judasrolle Rosenfeld gegenüber gespielt hatte. Die Strafen, zu denen der
Meister und seine Bekenner verurteilt worden waren, hatten eine andere als die
erwartete Wirkung in ihm hervorgebracht. Er empfand sein ganzes Unrecht, einen
solchen Mann verlassen zu haben, der nun im hellen Glorienschein des Märtyrertums
strahlte. Derselbe Richter, der seinen Meister bei den Gerichten als Bösewicht
angegeben hatte, bekannte sich in raschem Umschlag wieder zu seiner Lehre und
versäumte nichts, um seine Reue und seinen wiedergewonnenen Glauben vor den
Leuten leuchten zu lassen. Jetzt schrieb er den oben angeführten Hirtenbrief an
die Gemeinde und die anklagenden Stellen vorn in das Gesangbuch, und er schrie seinen
Glauben so laut und ungestüm durch die Straßen aus, dass man genötigt war,
jetzt auch ihn zu verhaften und auf ein Jahr nach Spandau zu schicken.
Auf
die Frage hin, wie er zu seinen früheren Angaben komme und wie er jetzt sein
Urteil darüber so schnell habe ändern können, erklärte Richter, seinen
Aussagen habe das Gerede der Leute von der Unzucht, die Rosenfeld getrieben
habe, und der Schwängerung des Mädchens in Stendal zugrunde gelegen; das Gerücht
von dem unzüchtigen Verkehr aber beruhe auf Unwahrheit, und was die letztere
beträfe, so wisse Rosenfeld jedenfalls, warum er es getan habe, da er nie etwas
Unrechtes machen könne. Im übrigen müsse er den Rosenfeldschen Lehren
beipflichten, weil er sie in der Heiligen Schrift begründet finde. Den Prediger
Fehland aber könne er nur für den Teufel halten, denn er predige vom Tode, und
nur durch des Teufels Neid sei der Tod in die Welt gekommen.
Rosenfeld
befand sich wahrend dieser Zeit bei nicht zu strenger Haft in Berlin. Das
Irrenhaus trug nur dazu bei, seine Glorie in den Augen seiner Anhänger zu
vermehren. Sein treuer Gumto und dessen Familie beschlossen, alles zu tun, was
in ihren Kräften stehe, um den Heiland, der für sie litt, für seine Leiden zu
entschädigen, und Rosenfeld nahm diese Untertanentreue gnädig hin.
Er
forderte von ihnen jetzt etwas, was wirklich der Autorität der Akten bedarf, um
geglaubt werden zu können. Gumtos Frau musste auf ihres Mannes Befehl ihre
nunmehr fünfzehnjährige Tochter, die sich bei Verwandten in der Nähe von
Templin aufhielt, nach Hause holen. Auf dem Wege nach Berlin sagte sie ihr, sie
solle Rosenfeld vorgestellt werden und dabei nur ja genau acht haben auf dessen
Worte und Vermahnungen und ihnen Folge leisten. Was Rosenfeld sage, sei recht,
ihr bisheriger Glaube sei irrig, und sie wäre ewig verflucht, wenn sie
Rosenfelds Lehre nicht annehme. Unterwegs nahm man noch einen Mann und eine Frau
aus der Biesenthaler Gemeinde mit, um der Pilgerfahrt die rechte Weihe zu geben,
und kurz vor Berlin wurde der jungen Dirne mitgeteilt, dass sie eine der sieben
Jungfrauen werden solle, zu der sie schon durch die Geburt bestimmt sei, und müsse
deswegen alles tun, was Rosenfeld ihr sagen und von ihr verlangen würde.
Die
vier Personen kamen gegen Abend im Irrenhause an und wurden vom Türhüter in
eine besondere Stube gewiesen. Rosenfeld, den man von ihrer Ankunft
benachrichtigt hatte, erschien. Er fragte das Mädchen, ob sie eine Braut
Christi werden wolle. Sie antwortete: »Ja!« Er fuhr fort, dann müsse sie auch
alles tun, was er von ihr verlange; ob sie das aufrichtig wolle? Als das Kind
auch hierauf mit Ja antwortete, legte er es auf ein dastehendes Bett und vollzog
im Angesicht der eigenen Mutter, ihres nachmaligen Schwagers Lünemann und einer
Frau Naumann den Beischlaf mit dem Mädchen. Dann sprach er: »Dies ist die
Versiegelung, durch die wir beide aufs festeste miteinander verknüpft sind.
Durch sie musste ich mich überzeugen, dass du vorher noch mit keiner
Mannesperson zu tun gehabt hattest. Mache dir fortan auch mit keiner zu
schaffen, wenn du nicht ewig verloren gehen willst.« Zugleich aber ermahnte er
die Umstehenden, seinem Beispiel hierin nicht nachzufolgen. Denn was er getan
habe, stehe nur ihm frei, da er ja der Christ sei, von dem geschrieben stehe, dass
er kommen solle. Dann blieben die fünf Personen noch etwa eine Stunde
beisammen, das Mädchen aber wurde zu ihren Verwandten zurückgebracht, bei denen sie gegen
vier Jahre blieb.
Im
März 1771 berichteten die Inspektoren des Berliner Irrenhauses, Rosenfeld sei
ein wahrhaftes Muster von Liebe und Mitleid; den Elenden in der Anstalt sei er
aus eigenem Antriebe unverdrossen und gern zur Hand gegangen, habe die Kranken
fleißig abgewartet und sich als ein treuer Gehilfe der Wärter gezeigt. Sie möchten
ihn deshalb nur ungern missen, aber er bitte doch allzu dringend um seine
Entlassung. Da auch der Arzt des Hauses berichtete, dass Rosenfeld sich
ordentlich und ruhig aufgeführt habe und sein Geist nichts weniger als zerrüttet
sei, wurde seine Entlassung verfügt, jedoch unter der Bedingung, dass sich
Rosenfeld bei einem bekannten guten Bürger einmiete, der für den Fall, dass sich abermals schwärmerische Religionsideen bei ihm einstellen sollten,
angehalten werden solle, darüber sofort dem Magistrat zu berichten.
Dieser
bekannte gute Bürger fand sich auch sogleich in der Person des
Schlossermeisters Zimmermann in Berlin, der ihn willig aufnahm und sich für ihn
verbürgte, weil – er einer seiner eifrigsten Anhänger war, ohne dass die Behörden
davon Kenntnis hatten. Zimmermann, sonst ein rechtlicher, fleißiger Mann, hatte
sich im Zorn an dem Präfekten des Werderschen Singechors vergriffen und musste
deshalb auf kurze Zeit in Spandau sitzen. Hier hatte er die Rosenfeldianer
kennengelernt und wurde, noch ehe er Rosenfeld selbst gesehen hatte, eines der
eifrigsten Glieder ihrer Gemeinde. Nachdem er aus der Haft entlassen worden war,
wurde der redliche Bürger und fleißige Handwerker einer der fanatisiertesten
Schwärmer für den neuen Heiland. Er vernachlässigte seinen Beruf, behandelte
seine vernünftige und gute Frau, die sich
von ihm nicht wollte bekehren lassen, in brutalster Weise und lag nur im
Irrenhause, um Rosenfelds Lehren anzuhören. Er war so ganz von seinen Lehren
beseligt, dass er es für das größte Glück hielt, als Rosenfeld ihm im Mai
1771 ins Haus gegeben wurde.
Die
Bedingung, dass Rosenfeld Berlin nicht verlassen sollte, wurde schlecht erfüllt.
Zimmermann starb bald darauf, und niemand kümmerte sich um den neuen Messias.
Er zog zu einem anderen Wirt und versuchte auch in Charlottenburg seine Gemeinde
zu vergrößern, wo aber schon eine andere religiöse Sekte, die Musefeldsche,
grassierte und infolgedessen sein Anhang gering blieb.
Im
Jahre 1775 schlug er seinen dauernden Wohnsitz in Berlin auf, und mit einer
Frechheit, wie sie nur ihm zuzutrauen war, schrieb er an seine Anhänger Befehle
aus, ihm nunmehr die sieben Jungfrauen zuzuführen, damit er mit ihnen an das
große Erlösungswerk gehen könne. Niemand machte Einwendungen. Der Schäfer
Gumto lieferte drei Töchter, der Weber Glanz aus Biesenthal zwei, und zwei ein
anderer Anhänger mit Namen Meyer. Alle beteuerten später, als reine Jungfrauen
zu Rosenfeld gekommen zu sein, und nach ihren naiven Aussagen in den Protokollen
darf man ihrer Versicherung vollen Glauben beimessen.
Es
gibt einen Kupferstich von Chodowiecki, der den Sultan Rosenfeld in seinem
Serail vorstellt. Er zeigte sich den armen, ihm in dummem Vertrauen zugeführten
Geschöpfen gegenüber wirklich als kaltherziger, grausamer Wollüstling
orientalischer Art. Nur eine von ihnen liebte er, wenn dieses Wort hier überhaupt
passt; sie war seine Favoritin, seine nächtliche Bettgenossin, und er zeugte
auch drei Kinder mit ihr, von denen jedoch nur eines am Leben blieb. Die anderen
waren seine Sklavinnen, Sklavinnen
seiner Lust, die er zu sich rief und wieder fortschickte, wie es ihm passte,
aber auch Sklavinnen im buchstäblichen Sinne, die für ihn arbeiten und vom
Morgen bis in die späte Nacht hinein Wolle für ihn spinnen mussten: sechs arme
Mädchen, einige davon kaum über das Kindesalter hinaus, mussten den in seiner
Wollust und seiner Faulheit bequem dahinlebenden Mann allein ernähren. Um diese
Zeit war es, dass Rosenfeld die Geschenke und Opfergaben seiner Anhänger
abwies; er lebte vom Erlös der Arbeiten der armen geplagten Geschöpfe. Ihr
Leben war wirklich jammervoll: er prügelte sie und ließ sie hungern. Denn ein
ausgesprochener Grundsatz war, sie dürften sich nicht satt essen, sondern müssten
nüchtern bleiben, um das Himmelreich zu schauen und das Werk zu vollenden;
alles weltliche Fleisch müsse heruntergefastet werden. So tyrannisch und, wie
sich dabei von selbst versteht, auch misstrauisch war sein Regiment, dass er den
armen Geschöpfen nicht einmal erlaubte, mit ihren Eltern zu reden, ja, er
verhinderte, dass sie sich auch nur untereinander besprachen.
Die
Favoritin war die eine Tochter seines enthusiastischen Anhängers Glanz. Je mehr
er sie auszeichnete, um so schnöder behandelte er ihre Schwester, die das Unglück
hatte, von der Favoritin trotz der nahen Verwandtschaft aufs tödlichste gehasst
zu werden. Die Arme konnte es nicht mehr aushalten und entlief einmal, von
Hunger und Kummer überwältigt, zu ihrer Mutter. Aber Rosenfeld erschien vor
der Tür und drohte, wenn sie nicht wiederkäme, gehörte sie nicht zu den
sieben glücklichen Jungfrauen, sondern sei ewig verdammt und verloren. In
unglaublicher Befangenheit und Verblendung zwang die Mutter ihre Tochter, zu dem
furchtbaren Manne zurückzukehren. Das Mädchen klagte einer ihrer
Leidensschwestern, einer Gumtoschen Tochter, gegenüber: »Meine Schwester und Rosenfeld haben
mir schon das Mark aus den Knochen gesogen; jetzt geht's aufs Herz los, das
werden sie auch bald abfressen.« Sie hatte richtig prophezeit. Die Unglückliche
starb bald darauf.
Sie
war nicht die einzige, die die harte Behandlung nicht aushalten konnte. Eine
andere seiner Beischläferinnen namens Meyer ging von ihm fort und war kaum zu
ihren Eltern zurück, als der Tod sie ereilte. Auch die Töchter des frommen und
gläubigen Gumto entliefen. Alle diese Vorgänge empörten weder die Eltern,
noch öffneten sie den Anhängern Rosenfelds die Augen. Keine Beschwerde und
keine Klage wurde laut, ja, zwei von Rosenfelds ältesten und eifrigsten Anhängern
in Berlin heirateten sogar zwei von den Gumtoschen Töchtern. Es schien also,
als hätten sie dem Meister tatsächlich das Recht der ersten Nacht bei ihren Bräuten
zugestanden, und als fühlten sie sich geehrt, ihre so geweihten Frauen aus
seiner Hand zu empfangen. Es ist übrigens in den Akten bemerkt, dass der Wollüstling
bei seinen Frauen so zu Werke ging, dass er nach dem Gange der Natur nur von
seiner Favoritin Vater werden konnte. Diese Andeutung darüber, auf welche Weise
er die anderen armen Geschöpfe seiner Lust dienstbar machte, muss hier genügen;
er zeigt sich hierin so kalt und grausam berechnend und so geübt in der
Selbstenthaltung, dass die Vorstellung eines von seinen eigenen Wahngebilden umdüsterten
Schwärmers damit vollständig ausgeschaltet wird.
Die
beiden Anhänger, die sich mit seinen Beischläferinnen verheiratet hatten,
hielten nun noch viel fester zu ihm. Sie gerieten dann beide, der eine, Richter,
im Jahre 1778, der andere, Lüdemann, im Jahre 1779, mit den Predigern ihres
Kirchspiels in Streit, weil sie ihre neugeborenen Kinder
nicht taufen lassen wollten. Des einen Kind starb bald, das des andern blieb
wirklich ungetauft. Bei den Verhandlungen, die aus diesem Anlass stattfanden,
erklärte Lüdemann neben anderem auch allen Ernstes, dass er nicht zu sterben
hoffe. Aber 1781 äußerte er, doch etwas zweifelnd, er wisse jetzt noch nicht,
ob Rosenfeld recht habe oder nicht. Zwar sei ihm sein fleischlicher Umgang mit
den sieben Mädchen bedenklich; aber er könne darüber doch noch nichts sagen:
es werde jedoch nicht mehr lange dauern, dann müsse sich alles herausstellen.
Erst
im Jahre 1780 kam die ärgerliche Sache wieder zur öffentlichen Kenntnis, und
zwar durch die Denunziation eines der eifrigsten Anhänger der Sekte. Der alte,
ehrliche Schäfer Gumto reichte beim Könige Friedrich II. Klage gegen Rosenfeld
ein, aber nicht zu dem Zwecke, dass die Untersuchung gegen ihn eröffnet und er
bestraft werden möchte, sondern darüber, dass er nicht erfüllt habe, was er
versprochen habe. In rührender Einfalt klagte der Schäfer seinem Könige die
Undankbarkeit des neuen Messias, dem er doch fünfzehn Jahre lang treu gewesen
sei und alle seine drei Töchter gegeben hätte, weshalb er jetzt in Armut,
Spott und Verachtung geraten sei. Er wisse nun nicht mehr aus und ein, was er
mit Rosenfelds Lehre anfangen solle; und so bäte er den König, den Rosenfeld
zu prüfen, ob etwa seine Lehre nicht die rechte sei und er selbst nicht der
rechte Messias sei, was er jedoch nicht glauben könne. Wenn es aber so wäre,
dann möchte der König ihn bestrafen.
Aber
in derselben Eingabe erklärte der ehrliche Mann, als gereue ihn schon, einen
solchen Mann angeklagt zu haben: was an ihm sei, so halte er sich nach der
Schrift und nach der Vernunft für völlig überzeugt, dass Rosenfeld
wirklich der sei, für den er sich ausgegeben habe, nämlich – der
gerechte und lebendige Gott.
Das
war in der ganzen Weltgeschichte wahrscheinlich noch nicht vorgekommen. Der Anhänger
einer neuen Lehre, noch im Glauben, dass sein Meister sein Gott sei, verklagt
diesen seinen Gott bei der weltlichen Obrigkeit, bei demselben Könige von Preußen,
der nach dieser Lehre der große Drache ist, und bittet diesen, dass er ihm
seinem Gott gegenüber zu seinem Rechte verhelfe. Das spricht deutlicher als
irgend etwas von Gumtos Begriffsvermögen, dem das der meisten Anhänger
Rosenfelds höchstwahrscheinlich durchaus glich. Es verrät aber zugleich den
loyalen Geist – oder Instinkt – dieser rechtschaffenen preußischen Bürger,
die auch in religiösen Dingen den letzten Schutz und den letzten Quell der
Erkenntnis bei ihrem Könige suchten.
Durch
diese Klagen wurde die Sache mit den sieben Siegeln und den sieben Jungfrauen
zum erstenmal bekannt. Friedrich der Große duldete vieles, was unsere
Sittlichkeitspolizei nicht duldet; aber das durfte er nicht dulden, und die
gerichtliche Untersuchung und der Kriminalprozess gegen Rosenfeld wurden
eingeleitet.
Aus
den Aktenauszügen dieses Prozesses erfahren wir weniger den äußeren Gang der
Verhandlungen, als die Lehrsätze und die innere Geschichte der Sekte. Der Prozess
selbst mag einfach genug gewesen sein, da Rosenfeld sich im allgemeinen nicht
aufs Leugnen legte, sondern da, wo es sich um Tatsachen handelte, ein freies,
unumwundenes Geständnis ablegte. Über die zarte Grenze, wo er als Betrüger
und wo er als selbstbetrogener Schwärmer und Fanatiker erscheint, werden auch
die Akten schwerlich Aufschluss geben. Es muss daher jedem überlassen bleiben,
aus den folgenden Mitteilungen sich selbst eine Meinung zu bilden.
Rosenfeld,
mit Vornamen Johann Paul Philipp, war 1731 im Eisenachschen geboren. Er war von
gesunder, fester Leibesbeschaffenheit und erinnerte sich nicht, jemals krank
gewesen zu sein. Aber der Hang zum weiblichen Geschlecht war nach seinem eigenen
Geständnis schon von früh an in ihm mächtig. Nach dem Gutachten der Ärzte
fand sich bei ihm keine Spur von geistiger Minderwertigkeit oder Gemütskrankheit;
vielmehr bewies er in allen Gesprächen viel Geistesgegenwart und einen scharfen
Verstand, aber legte dabei immer ein scheinheiliges, kriechendes Wesen an den
Tag.
Rosenfeld
stammte aus einer guten Familie. Sein Vater war Kriegs- und Kammerrat in Weimar
gewesen und als Landrat in Stuttgart gestorben. Die Schwägerin seines Vaters,
dessen Bruder Kammergerichtsrat in Berlin gewesen war, lebte dort noch während
seiner sektiererischen Umtriebe. Rosenfeld hatte eine einigermaßen gelehrte
Erziehung genossen, aber keine sittlichen Vorbilder in seinem elterlichen Hause
gesehen. Der Vater lebte mit der Mutter fortwährend in Streit, und der Sohn
stand bei diesen Zwistigkeiten auf seiten des Vaters, der mehrere Mätressen
unterhielt. Später wurde Rosenfeld zu einem Landprediger in Pension gegeben,
auf den er aber übel zu sprechen war. Einst sagte er vor Gericht: »Wenn ich
auf die Prediger schimpfe, so meine ich solche, die wirklich falsche Lehren
vorbringen, die so sind wie der Magister Schenk. Wenn ich mit seinem Paten
Christian spielen musste, und der gewann, so sagte er: »Ach, der Christian behält
doch die Oberhand über den Johann.« Der Christian ist nachher Apotheker
geworden und der Magister Schenk ohne Erben gestorben.« Er hielt es für das
entsetzlichste Schicksal, aus der Welt zu gehen, ohne Kinder zu hinterlassen.
Als
er erwachsen war, wurde er Jäger, weil ihm dieser Beruf bei seiner unsteten Art
am besten zusagte. Er schickte sich aber schlecht zum Dienen und hatte in fünfzehn
Monaten drei Herrschaften. Endlich gelang es ihm doch, eine Unterförsterstelle
beim Markgrafen von Schwedt zu erlangen, bei dem er längere Zeit aushielt; er
verheiratete sich in dieser Zeit und zeugte vier Kinder. Aber auch hier hielt er
es auf die Dauer nicht aus. Er klagte bitter über das ihm durch die Oberförster
widerfahrene Unrecht. Gewiss ist, dass er wegen einer falschen Holzassignation
zur Untersuchung gezogen, aber freigesprochen wurde. Das habe, wie einige Zeugen
versicherten, seinen Verstand zerrüttet. Dazu machte seine Mutter ein
Testament, durch das sie ihn zum Besten seiner Kinder enterbte. Mit seiner Frau
lebte er in dauerndem Unfrieden; er warf ihr und ihrer Mutter vor, es mit seinen
Feinden gehalten und ihn verraten zu haben, wozu sie durch einen Prediger
verleitet worden seien.
Genug,
er verließ den Dienst, tief ergrimmt über die Prediger, die Weiber und die
ganze Gerechtigkeit in dieser Welt. Von seiner Frau betrachtete er sich als gänzlich
geschieden. Überall, wohin er kam, sprach er davon, dass jetzt die Weiber das
Regiment über die Welt führten. Er erklärte den Leuten, er fühle sich
berufen, dieses Übel abzustellen und das Mannerrecht, wie er es nannte, wieder
einzuführen.
Während
er nun von Ort zu Ort umherirrte, bildete sich in dem zerstörten Gemüte des
Mannes ein fixer Gedanke aus, der sich zu einem System erweiterte, an das er zum
Teil selbst geglaubt haben mag, aus dem er aber auch mit voller Berechnung die
Vorteile für sich zog, sobald er die Wirkung auf andere gesehen hatte. Im Müßiggang, zu dem er
von früh an Neigung gehabt hatte, brütete er über einen Lebensplan, der
seinen Leidenschaften, vor allem seiner Wollust, volle Nahrung versprach und
zugleich sein Rachegefühl gegen die Obrigkeit und die Weiber, die ihm unrecht
getan hatten, befriedigen konnte.
Vom
Jahre 1762 an zog er dann im Lande umher, um seine Lehre zu predigen. Da er ohne
Pass und ohne Geld war und jämmerlich zerlumpt aussah, griff man ihn mehrmals
auf und steckte ihn ein, zweimal in Schwedt selbst, dann auch in Frankfurt an
der Oder, in Magdeburg und in Bedra zwischen Leipzig und Naumburg, immer über
nur auf kurze Zeit und nur als Bettler und Vagabunden. Für einen neuen
Religionsstifter fehlte der Polizei zu Ende des Siebenjährigen Krieges die
Rubrik.
Als
man ihn nach seiner ersten Verhaftung wegen Religionsunfugs in Biesenthal vor
Gericht gestellt hatte, trat er kühn auf und legte sein Glaubensbekenntnis,
anscheinend in vollem Bewusstsein seiner göttlichen Sendung, ab. Es lautete im
wesentlichen dahin:
Er
gehe nicht in die Kirche; denn er fände in der Schrift keinen anderen Glauben
als den, den Abraham, Isaak und Jakob auch gehabt haben, die ja auch fromme Männer
gewesen seien. Gottes Tempel sei einzig und allein unser Herz; Gott wolle nicht
steinerne Tempel haben. In der Kirche geschähen gotteslästerliche Sachen, weil
man da sage, die Heilstatsache sei schon abgeschlossen, während doch in der
Bibel, besonders in der Offenbarung Johannis, stehe, dass erst noch alles
geschehen solle. Er glaube an das tausendjährige Reich, das in diesen Tagen
schon angegangen sei. Er selbst habe es herbeigeführt, denn er habe Gottes
Stimme gehört, Hebr. IV. Er gehe
täglich zum Abendmahl; denn er genieße ja Brot und Wein, das Gott gegeben
habe; wer beides unrecht gebrauche, sei schuldig am Blute des Herrn. Christus hätte
es selbst nur so gemeint: zusammenzukommen, ordentlich zu essen und dabei an
Gott zu denken. Die Taufe verwarf er nicht; doch käme es aufs Wassertaufen
nicht an; Gott sage ja selbst, wir könnten auch mit Feuer getauft werden. Er
glaube nur an einen Gott, der aber drei Eigenschaften besitze. Er habe sich noch
nicht so schlechtweg für den Messias ausgegeben, sondern nur gesagt, wer nach
Gottes Gesetzen und Rechten einhergehe, der ist mit dem heiligen Geist gesalbt;
Obadj. 21 stände, es würden Heilande heraufkommen, die würden die Welt
richten; es werde also zugegeben, dass Christus nicht der einzige gewesen sei,
und solche werden Könige und Priester sein. Seinen Anhängern habe er Königreiche
versprochen nur in dem Sinne, indem uns die Schrift Gesalbte und Könige nennt.
Er habe keine Soldaten, könne infolgedessen auch den König nicht absetzen. König
sei ein jeder, wenn er nach Gottes Gerichten über sich selbst herrsche. Der König
sei der große Drache; weil, wie der Drache alles verschlinge, so der König ein
Schwert habe, uns alle zu töten, wenn wir sündigen. Die Leute brauchten nicht
mehr zu arbeiten, wie auch bei Zacharias stehe, wenn die Zeit komme, dürfe man
nicht mehr arbeiten; gemeint sei damit nur: auf so eine sklavische Weise. Er
glaube, er sei in der Wahrheit und im Rechte. Was seinen sittlichen Lebenswandel
betreffe, so habe er sich mit der Richter in Stendal nur abgegeben, weil seine
Frau ihn verlassen habe, und das halte er weder für Unrecht noch für Hurerei;
sondern er habe seinen Namen und sein Geschlecht nicht wollen untergehen lassen,
und das könne Gott und dem Könige nicht zuwider sein.
Schon
aus diesem ersten Geständnis sieht man, dass er sich über den Punkt Obrigkeit
sehr vorsichtig und diplomatisch aussprach. Er wiederholte auch später noch
oft, dass er der Obrigkeit ganz und gar Untertan wäre und nichts gegen ihren
Willen tun wolle und könne. Seine Anhänger dagegen behaupteten, er habe zu
ihnen gesagt, sie müssten wenigstens jetzt noch gehorchen, solange die Drachen
die Gewalt hätten.
Weniger
kühn und entschieden benahm er sich bei der zweiten Untersuchung im Jahre 1781,
da ja nun viel mehr Tatsächliches gegen ihn vorlag. Seine Sprache war
verwirrter; vielleicht war das eine Folge der Angst, vielleicht aber lag auch
die Absicht vor, seine Richter zu täuschen und für geistesgestört angesehen
zu werden. In einem der ersten Verhöre erklärte er wie in aufgeregter
Stimmung, man gehe darauf aus, das Weiberrecht an die Stelle des Männerrechts
zu setzen, und das erstere aufrecht zu erhalten, das sei seine Absicht von jeher
gewesen. Das Weib habe die Übertretung angefangen und eingeführt, und er habe
nichts anderes getan, als das menschliche Geschlecht erhalten wollen. Er bejahte
dann alle Fragen, und auch auf die, ob er sich nicht für Christus und Gott
selbst ausgegeben habe, erwiderte er ohne Bedenken, ja, das habe er getan, und
unterstützte seine Aussagen nach seiner Art mit einer Menge schnell
herzitierter Bibelstellen, gleichviel, ob sie nun zu der Frage passten oder
nicht. Nur das leugnete er, dass er mit den anderen sechs seiner Beischläferinnen
den fleischlichen Umgang so gepflogen habe, dass sie nicht hatten schwanger
werden können. Das, erklärte er, sei nur die Folge davon gewesen, Lass die
sechs allzusehr mit Sünden behaftet und ihm nicht gehorsam genug gewesen wären.
dass
Christus nicht der rechte Messias sei, habe er
allerdings gelehrt, denn das stände schon Offenbarung I, 8 geschrieben: »Ich
bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht der Herr, der da ist, der
da war und der da kommt, der Allmächtige!« Nur nach Schriftstellen habe er
behauptet, dass noch ein zweiter Christus kommen müsse. Er habe sich dafür
ausgegeben, jedoch nur nach dem Glauben. Denn es sei eines jeden Sache, sich
davon zu überzeugen, und er hätte es auch dem Glauben eines jeden überlassen.
Der Glaube sei von Gott und lasse sich nicht erzwingen. Auch habe er sich den
einzigen wahren Gott genannt; es stände aber nicht bei jedem, zu glauben, was
er wolle. Es sei nicht so, dass er sich in der Welt habe groß machen wollen,
sondern er habe stets das geistliche Reich im Auge gehabt.
Auf
die Frage, ob er wisse, wer Gott sei, antwortete er: »Ein Geist, allwissend,
allmächtig, allgegenwärtig, allgütig.« Als man ihn nun fragte, wie er sich
denn für Gott habe ausgeben können, da er doch keine dieser Eigenschaften
besitze, hatte er keine andere Antwort als die: »Ich will den Herrn nicht
versuchen, er ist von Zion weggewichen.« Man stellte ihm vor, was er gelehrt
habe, sei doch Gotteslästerung gewesen. Er erwiderte, nein; denn es stände
geschrieben: »Er hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein.« Er habe
es übrigens nicht um seines Wohllebens willen getan und gelehrt, denn er habe
ja elend und jämmerlich genug leben müssen, sondern nur zu dem Zwecke, dass das Vaterrecht wiederhergestellt werde; denn wer an kein Vaterrecht glaube, der
glaube auch an keinen Gott. Die Mädchen habe er nicht der Wollust wegen
gehalten, sondern bloß, damit sein Geschlecht nicht ausgerottet werde; und nur
weil der Mann herrschen müsse, habe er auch das Geld, das die Mädchen verdient
hätten, an sich genommen. Außerdem hätten
sich die Mädchen auch selber prüfen sollen, ob sie zu dem großen Werke tüchtig
wären, und auf die Jungfrauschaft käme es dabei gar nicht an, sondern nur auf
die Gesinnung des Herzens: der Gehorsam und das Vertrauen müssten
wiederhergestellt werden. Aber die Mädchen wären voll List und voll Tücke
gewesen und hätten hinter seinem Rücken gefressen und üppig gelebt. Er habe
es ihnen oft klargemacht, dass alles in der Welt morsch und faul sei. Das liege
vor allem an dem Verhältnis zwischen Mann und Weib. Wenn es anders werden
solle, müsse zwischen Mann und Weib Versöhnung geschlossen und das Ehebett
wieder reingehalten werden. Sieben hatte er haben müssen, weil er nicht habe
wissen können, welche die rechte sei, die ihm treu bleiben würde. Nur die eine
Glanz habe sich darnach aufgeführt und den Mann nicht zu verderben noch zu
verschlingen gesucht. Darum hätte er es auch besonders mit ihr gehalten, wolle
beständig bei ihr bleiben und wünsche mit ihr ordentlich getraut zu werden –
ein Wunsch, der natürlich nicht in Erfüllung gehen konnte.
Seine
Bibelkenntnis war außerordentlich groß. Er fand für jeden Satz, den er selbst
sagte, einen Beleg in der Schrift, was freilich allen Schwärmern und Sektierern
gelungen ist, und worin zu allen Zeiten ihre Macht bestand, gegen die mit
Mitteln der Vernunft nicht anzukommen ist. Noch weniger sind gegen sie die
Waffen zu gebrauchen, die die Philologie an die Hand gibt. Nach den Büchern,
die man in seiner Bibliothek fand, zu schließen, hatte sich Rosenfeld selbst
wenigstens in der letzten Zeit auch mit Studien aus diesem Gebiet beschäftigt.
Man fand verschiedene Grammatiken und Wörterbücher des Hebräischen,
Griechischen, Lateinischen, Französischen, Englischen und Italienischen, einige
Elementarbücher dieser Sprachen, ein deutsches Kompendium der Geschichte, dazu noch geographische Werke, Kalender
und politische Broschüren bei ihm. Vergebens suchte man nach Schriften von älteren
Schwärmern und Sektierern. Außer der Bibel fand sich bis auf einige Predigten
von der christlichen Kinderliebe eigentlich kein religiöses Buch vor, dagegen
der Koran, eine Schrift gegen die Juden und eine höchst mühsam und genau
hergestellte Abschrift der bei der lutherischen Bibelübersetzung nicht
befindlichen apokryphischen Bücher. Seine Hirtenbriefe an seine Gemeinde
enthielten meistens Stellen aus diesen Büchern, aus der Offenbarung Johannis
und aus dem Hebräerbrief.
Auf
den äußeren Schein hat Rosenfeld wenig gegeben. Er verlangte von seinen Anhängern
auch nicht einen Schatten von göttlicher Verehrung. Auch während seines
Berliner Sultanlebens bewahrte er das dürftige Äußere, das er als wandernder
Prophet zur Schau getragen hatte. Dagegen war er streng und scharf in der
Aufsicht über die Erfüllung der Sittengesetze durch seine Gemeinde. Er
forderte seine Anhänger mit aller Strenge auf, fromm und rechtschaffen zu
wandeln, niemand zu betrügen, sondern gegen jeden gerecht zu sein. Doch führte
er bei diesen Sittengeboten seltsamerweise weder in seinen Reden noch in seinen
Aufsätzen die moralischen Stellen der Bibel an, die auf sie Bezug hatten.
An
den Geschenken seiner Anhänger hatte er sich nicht bereichert, sondern stets
nur so viel angenommen, dass er sein müßiges Leben fortsetzen konnte. Auch der
Erlös, den die Arbeiten der Mädchen einbrachten, diente nur diesem Zwecke.
Habsucht und Geiz waren ihm also in seinem Prophetengeschäft nicht hinderlich.
Das erklärten selbst seine Ankläger. Wie fest das Vertrauen dieser Leute noch
nach allen Enttäuschungen, ja selbst nach allen Misshandlungen
war, geht aus vielen Zügen hervor. So versicherte die eine Gumtosche
Tochter, die so viel von ihm hatte erdulden müssen, noch vor Gericht, sie
glaube auch jetzt noch, dass Rosenfeld der große Erlöser sei. Darum habe sie
auch immer gebetet, Gott möge ihn doch das große Werk vollenden lassen, zu dem
er ihn gesandt habe.
Aus
einzelnen Andeutungen geht hervor, dass Rosenfeld vor dem Inquisitionsrichter später
die Maske des heiligen Selbstbewusstseins dann und wann fallen ließ. Es ist zu
bedauern, dass die Aktenauszüge diese Wendepunkte nur sparsam und nur
gelegentlich berühren. Wie schon erwähnt worden ist, hatten zwei Anhänger
Rosenfelds, Richter und Lüdemann, später zwei Gumtosche Töchter geheiratet,
die von dem Propheten als Beischläferinnen benutzt worden waren. Das eine von
diesen armen Mädchen war dasselbe, an dem Rosenfeld im Berliner Irrenhause in
Gegenwart der Verwandten Unzucht verübt hatte. Damals hatte er vor allen
Anwesenden erklärt, er habe sie als reine Jungfrau gefunden. Vor dem Richter
gestand er, er habe das wohl sagen müssen; denn wenn man unter solchen Leuten
sei, müsse man wohl so sprechen; in Wirklichkeit habe sie ihm nachher selbst
eingestanden, dass sie sich schon damals mit Richter abgegeben hatte. Aus den
Akten aber ergab sich freilich mit großer Zuverlässigkeit, dass dieses
Vorgeben falsch war, und Rosenfeld scheint diese Angabe nur aus Hass gegen die
sechs Mädchen erdichtet zu haben. Hier liegt also eine eingestandene
Verstellung vor; sie wird nicht die einzige gewesen sein und hilft das Urteil
rechtfertigen, das für einen Schwärmer zu hart, für einen Betrüger seiner
Art aber durchaus gerecht erscheint.
Der
Kriminalsenat des Kammergerichts verurteilte Rosenfeld
nach abgeschlossener Untersuchung zu Stäupung und lebenslänglicher
Festungsstrafe. Das oberste Kriminaldepartement änderte das Urteil auf
Zuchthausstrafe ab und drohte ihm nachdrückliche Züchtigung an für den Fall, dass
er sich wieder mit Frauenspersonen würde abgeben wollen. Nach zwei Jahren
sei von seiner Aufführung zu berichten.
Dieses
letzte Urteil war ihm am 5. Dezember 1781 eröffnet worden. Er legte Berufung
dagegen ein. Inzwischen hatte sich der König die Sache selbst vortragen lassen
und verordnete durch eine Kabinettsorder vom 12. Januar 1782, dass es bei der
Entscheidung des Kriminalsenats verbleiben solle. Rosenfelds weitere
Verteidigung wurde zwar zugelassen, indessen verblieb es bei der letzten, königlichen,
Verordnung.
Am
8. November 1782 erlitt Johann Paul Philipp Rosenfeld, der neue Messias, in Berlin öffentlich
den Staupenschlag , ohne dass ein Wunder geschah. Nachdem er ihn überstanden
hatte, bestieg er den bereitstehenden Wagen. Er rief dem versammelten Volke zu:
»Ist jemand da, der mich beschuldigen kann, dass ich ihm ein Leid zugefügt,
ihn betrogen oder bestohlen habe, der rede, hier bin ich!« Es antwortete
niemand, und der Wagen rollte nach Spandau ab.
Vor
der letzten Entscheidung seines Prozesses hatte Rosenfeld um die Vergünstigung
gebeten, dass seine damals sechseinhalbjährige Tochter christlich getauft
werde. Es geschah in seiner Gegenwart und der mehrerer seiner Anhänger.
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* Rosenfelds Kriminalgeschichte wurde zuerst in der 'Berlinischen
Monatsschrift' von
F. Gedeke und J. E. Biester
mitgeteilt: Januar 1783
[Zweite Auflage] Seiten 42 bis 79; Juli 1793 Seiten 20 bis 24; Januar 1803 Seiten
42 bis 48.
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