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Freitag, 4. Oktober 2013

Vom Regen in die Traufe

Wenn nichts mehr nutzt,
Wenn nichts mehr frommt,
Dann wird es Zeit,
Dass KRETZSCHMAR kommt.

Mit Ludwig THOMA : “Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand?“ Püh, jedenfalls schaffte es der Autor bis ins „Institut für Theorie des Staates und des Rechts an der Akademie der Wissenschaften“, dem Rechtswissenschafts-Olymp der DDR. Als er gewärtigte, dass man sich dort zusammenrottete, um die Weisheit der moribunden Partei- und Staatsführung zu lobpreisen, konnte seines Bleibens nicht sein. Als Rechtskundiger woanders auch nicht. Das Berufsverbot war flächendeckend. Und so landete Frank Kretzschmar, bespitzelt, entrechtet, vorgeführt und entfremdet, dort, wo wir alle landen: Auf dem Friedhof. Als, so die offizielle Berufsbezeichnung, „Redner für weltliche Grab- und Trauerfeierlichkeiten“. Zugelassen, guten Appetit, durch die Abteilung für Bezirksgeleitete und Lebensmittel-Industrie beim Rat des Bezirkes. 1979 konnte er sein Veröffentlichungsverbot letztmals durchbrechen und mit der Schrift „Und der Tag hat sich geneigt – zur Gestaltung weltlicher Trauerfeiern“ niederkommen. Um komfortabel überleben zu können, galt es, täglich fünf Trauerfeiern zu gestalten. Mehr als ein Jahrzehnt. Nur zu bewältigen, wenn man Leid respektiert, aber nicht an sich heran lässt.

Das Leid der kranken DDR, deren Tod er punktgenau diagnostizierte, ließ der Autor sehr wohl an sich heran. Ihm verlieh er, sich haarscharf über dem Abgrund der Stasi-PUT, der „politischen Untergrundtätigkeit mit strafrechtlicher Relevanz“, hangelnd, unentwegt Ausdruck. Ein kleiner Teil dessen findet Berücksichtigung in diesem Buch: Anmaßend, frech, zynisch, sarkastisch. 

Vom letzten DDR-Justizminister 1990 rehabilitiert und als Einzelanwalt zugelassen, genoss Frank Kretzschmar, beruflich erfolgreich, vorübergehend zu Vermögen gekommen, die Segnungen der Wendezeit, bis er, sich die Augen reibend, mitkriegte, wohin die Fuhre ging: Vom Stalinismus-Regen in die Correctness-Traufe. Wie in der DDR. Nur verlogener.

Und so lud sich der Autor sein Kreuz erneut auf und schrieb an gegen das, was ihm die Luft zum Atmen nahm. Und haste nicht gesehen, kaum dass ein schlappes Vierteljahrhundert ins Land ging, schon hatte er sich einzufinden im Polizeipräsidium zu Leipzig, Dimitroffstraße 1: Das gleiche Haus, das gleiche Zimmer, der gleiche Tatvorwurf, austauschbare, auf Gesinnungs-Straftaten abgerichtete Vernehmer.

Gelegentlich, um sich selbst zu trösten, brabbelt der Autor die Strophe eines Louis-Fürnberg-Gedichts aus seiner Leichenredner-Zeit vor sich hin:

Jeder Traum, an den ich mich verschwendet,
Jeder Kampf, da ich mich nicht geschont,
Jeder Sonnenstrahl, der mich geblendet
Alles hat am Ende sich gelohnt

Für Frank Kretzschmar auch. Während seine Schergen ihre üppigen Pensionen vernaschen, sprach ihm die Abteilung Wirtschaftliche Sozialhilfe und Migrantenhilfe beim Rat der Stadt Leipzig mit Bescheid vom 9. Juli 2012, Aktenzeichen 50.2212.172506, für sein Dissidenten-Schicksal in der DDR eine monatliche Rente von 123.- Euro zu. 9,46 Euro pro Verfolgungsjahr. 

Den geneigten Leser aber erwartet eine ebenso spannende wie kurzweilige und anspruchsvolle Lektüre zum Widerstand unter Honecker und Merkel.

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VORWORT:

Friedrich Schiller :
Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.

"Die Mauer ... wird in fünfzig und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben.“
Erich HONECKER, Januar 1989.

„Wegen der Nazizeit und dem Zweiten Weltkrieg wird Deutschland für lange Zeit in der Pflicht stehen – für das ganze 21. Jahrhundert, vielleicht sogar noch für das 22. Jahrhundert.“
Helmut SCHMIDT, Dezember 2010

Was beide im Wahn vereint? ANTIFASCHISMUS! Der ohne Kriegsschuld und HOLOCAUST längst das Zeitliche segnete. Dass er sich - je oller, desto doller - bester Gesundheit erfreut, ist auch Bundespräsident Joachim GAUCK zu verdanken, der sich soeben, September 2013, bei den Franzosen überschwänglich für ihre „Versöhnungsbereitschaft nach dem Zweiten Weltkrieg“ bedankte. Wird aber auch Zeit, nachdem die am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärten, den sie innerhalb sechs Wochen verloren, was sie nicht daran hindert, sich bis heute als Sieger aufzuspielen. Auf die Idee, der deutschen Kriegsgefangenen zu gedenken, die von den Banditen der Maquis am 10. September 1944 in Saint-Julien-de-Crempse abgeschlachtet wurden, kam GAUCK selbstredend nicht. Die beim Einmarsch der Franzosen massenvergewaltigten Frauen in Stuttgart, Pforzheim, Freudenstadt sind ihm kein Wort des Erwähnens wert.

Noch Anfang 2005 wurde GAUCK von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Nordrhein-Westphalens mit der Begründung als Gastredner abgelehnt, er verharmlose Naziregime und HOLOCAUSTt. Martin HOHMANN zitiert ihn in seiner berühmten Rede vom 3. Oktober 2003 mit den Worten, dass Herrschende und Wissenschaft „fast neurotisch auf deutscher Schuld beharren.“ Diese Neurose muss ansteckend sein. Knapp zehn Jahre später jaulte der zum lupenreinen Antifaschisten Mutierte in Oradour : „Ich verneige mein Haupt, “ Schrumpfkopf auf Wendehals, “vor euren Opfern.“ Bloß gut, dass Präsident François HOLLANDE und der Überlebende Robert HEBRAS, die GAUCK inniglich umklammerte, auf dieser Scham- und Schleimspur nicht ausglitten und zu Fall kamen.

Während François MITTERAND und Helmut KOHL im September 1984 zu Verdun, Hand in Hand, noch französischer UND deutscher Opfer gedachten, spielen Letztere heute keine Rolle mehr.

Der HOLOCAUST schon. Beim SPIEGEL. Sturmgeschütz-der-Demokratie- Dauerfeuer. Schlag auf Schlag. Immer und immer wieder. Im Heft 29/13 „Heimweh nach dem Lager“ kommt der Überlebende Otto Dov KULKA zu Wort, der sein zehntes und elftes Lebensjahr im Kinderblock zu Auschwitz verbracht haben will: „Manchmal machte er mit anderen Kindern eine Art Mutprobe, den ´kleinen Tod auszuprobieren´. Sie fassten mit den Händen in den Elektrozaun, der tagsüber fast nie unter Strom stand.“ Und: „Als er seinem Onkel einmal Essen durch den Zaun reichte, war der Stacheldraht elektrisch geladen. Die Narbe vom Stromstoß hat er heute noch.“

Da will die Überlebende, es werden derer immer mehr , Jenny ROSENSTEIN, nicht hintanstehen. Sie, 1935 geboren, soll es ins Ghetto von Mogiljow-Podolski verschlagen haben. SPIEGEL 30/13 : „Wenn Jenny Rosenstein erzählt, wie sie sich davor geekelt hat, die Zähne der Ermordeten zusammen zu kehren, schwenkt Jonathan Josephs“, ihr jüdischer Wahl-Enkel, „verlegen sein Wasserglas.“

Franzosen versöhnungsbereit, Hochspannung-Lagerzaun als Abenteuerspielplatz und Essens-Durchreiche, Achtjährige beim Zähne-Fegen. Da muss uns um den ANTIFASCHISMUS nicht bange sein. Um seine Wirkung auch nicht:

Diddi HALLERVORDEN auf die Frage der „Jungen Freiheit“ 36/13, was ihm Heimat bedeutet: „Das deutsche Wort ´Heimat´ unterstellt, unrichtigerweise, daß es nur zu Hause schön sein kann. Ein Irrtum.“

Zu Hause schön? In der Tat: Ein Irrtum. Vom Stalinismus-Regen in die Political-Correctness-Traufe. Beide im Antifa-Wahn. Andersdenkers Todeshatz.

Das Positive? Tagebucheintrag König Ludwigs des XVI vom 4.Juli 1789: „Ein schöner, ruhiger Tag bei der Jagd heute. Wie immer.“ Wie immer? Da rollten in Paris schon die Köpfe. Bald der Seine. Denn:

Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
Vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott,
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
Dann richtet das Volk und es gnade euch Gott!

Theodor Körner

Leipzig im September 2013

Frank Kretzschmar

Das Buch ist beim libergraphix Verlag erhältlich.

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