Das Thorner Blutgericht
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vom
7.
Dezember 1724.
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Dies
Ereignis bestand in der Hinrichtung des deutschen Bürgermeisters
von Thorn, Johann Gottfried Rösners
(Bild), und mehrerer deutscher Bürger der Stadt Thorn durch die polnische Regierung. Rösner wurde in der brandenburgischen Neumark
geboren, hatte von 1679 bis 1683 an der Universität Frankfurt (Oder)
studiert und wurde 1703 Bürgermeister und 1706 Kurator des städtischen Thorner Gymnasiums. Wie die meisten Bürger
Thorns war er
lutherisch.
Vorgeschichte: Thorn hatte sich, wie das bei einer deutschen Stadt
nicht verwunderlich war, schon 1520 der Reformation zugewandt, sie im
stillen eingeführt und schließlich 1558 ein Religionsprivileg erhalten,
das zwar noch nicht die Anerkennung der Augsburgischen Konfession, sondern
nur den Gebrauch des Abendmahls in beiderlei Gestalt gestattete, was aber
praktisch auf Religionsfreiheit hinauslief. Nun wurde der evangelische
Gottesdienst in den Kirchen sanktioniert, in denen man ihn schon lange
ausgeübt hatte: in der altstädtischen Pfarrkirche zu St. Johann, der
neustädtischen Pfarrkirche zu St. Jakob, der ehemaligen
Franziskanerkirche zu St. Marien und der vorstädtischen Hospitalkirche zu
St. Georg. Die Kirchen der Dominikaner und Benediktiner-Nonnen blieben
katholisch.
Als der polnische König Sigismund III. ,
ein Jesuitenzögling, 1587 die Regierung antrat, setzte eine scharfe
Gegenreformation ein. Diese führte zunächst dazu, dass alle Kirchen, die
dem königlichen Patronat unterstanden, rekatholisiert wurden. Dies
geschah in Thorn mit der Johanniskirche (1596). Außerdem aber verfolgte
man ein weiteres Ziel: die Niederlassung von Jesuiten, der Sturmtruppe der
Gegenreformation in evangelischen Städten, um die "Bekehrung der
Ketzer" durchzuführen. Diese Absicht stieß auf heftigen Widerstand
der deutschen evangelischen Städte, auch Thorns. Dabei ging man von der
Erfahrung aus, die man überall mit den Jesuiten gemacht hatte: Diese störten
den konfessionellen Frieden und übten in den von ihnen geleiteten Schulen
oder Kollegien einen unheilvollen Einfluss auf die dort aufgenommenen
evangelischen Schüler aus. Da die in Preußen wirkenden Jesuiten meist
Polen waren, war bei den deutschen Protestanten eine Abneigung gegen sie
vorhanden, zumal die Jesuitenschüler, überwiegend Söhne polnischer
Edelleute, herausfordernd und disziplinlos auftraten.
Dem Rat der Stadt Thorn gelang es zunächst, die in Thorn auftretenden
Jesuiten aus der Stadt zu entfernen (1606). Im folgenden Jahre wurde
jedoch ein polnisches Reichsgesetz erlassen, das allen Jesuiten den
Aufenthalt in allen Städten Polens und Preußens gestattete. Darauf
kehrten die Jesuiten nach Thorn zurück, und der Rat konnte ihre weitere
Wirksamkeit nicht unterbinden. Auch ein Besuch, den Abgeordnete der drei
deutschen Städte Danzig, Elbing und Thorn deswegen beim Kurfürsten
Johann Sigismund von Brandenburg
1611 in Königsberg machten, war erfolglos. Allein Danzig vertrieb die
Jesuiten - wie es auch die einzige Stadt war, die die Herausgabe seiner
Haupt-Pfarrkirche zu St. Marien an die katholische Kirche verweigerte.
In Thorn aber musste der Rat jahrelange Prozesse gegen die Jesuiten und
ihren Bischof Johann Kuczborski ,
einen Eiferer gegen die "Ketzer", führen. Einen unerhörten
Auftrieb aber erhielt der polnisch-katholische Glaubensfanatismus durch
die Kriege der lutherischen Großmacht Schweden gegen Polen. Als das
Tschenstochauer Kloster
Ende 1655 erfolgreich gegen die Schweden verteidigt worden war, erklärte
König Johann Kasimir
die Jungfrau Maria zur Königin Polens. Daraus ergab sich in der Folgezeit
ein maßloser polnisch-katholischer Fanatismus gegenüber Andersgläubigen.
Diesen wurde in Polen jeglicher Gottesdienst, auch in Privathäusern,
untersagt. In Thorn musste 1667 auch noch die Neustädtische Pfarrkirche
zu St. Jakob an die Katholiken abgetreten werden. Zuvor hatte man eine polnische Besatzung nach Thorn gelegt,
um den Widerstand dieser deutsch-evangelischen Stadt zu brechen. In der Thorner
Dorfkirche von Rogau drangen im Dezember 1682 fanatische Katholiken ein und misshandelten dort den lutherischen Prediger Tamnitzius
und einige Gemeindemitglieder schwer, ohne bestraft zu werden. Es wurde in
dieser Zeit festgelegt, dass Katholiken in die Bürgerschaft, die Zünfte und den Rat
von Thorn aufgenommen werden sollten.
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Thorner
Tumult: Am 16. Juli 1724 provozierten Jesuitenschüler einen Angriff von Thorner Bürgern auf das Jesuitenkollegium, wobei Einrichtungsgegenstände - möglicherweise auch Heiligenbilder zertrümmert und verbrannt wurden. Die Jesuiten verlangten daraufhin vom Rat die Bestrafung der Täter. Da dieser jedoch nach ihrer Meinung die Angelegenheit zu lässig betrieb, wandten sie sich an das königliche Hofgericht in Warschau. Dieses führte in Thorn eine Untersuchung durch und stellte schließlich eine Anzahl von Schuldigen fest, darunter auch die
Bürgermeister Johann Gottfried Rösner und Heinrich Zernecke, weil diese angeblich den Tumult nicht unterdrückt und seine Anführer nicht zur Verantwortung gezogen hätten.
Thorner
Blutgericht: Auf Grund dieser Ermittlungen fällte das Hofgericht am 7. November 1724
das Urteil,
die beiden Bürgermeister und zwölf weiterer Bürger hinzurichten. Die Vollstreckung des Urteils war an die Voraussetzung gebunden, dass die Jesuiten mit Eideshelfern die Schuld der Angeklagten beschworen. Diese Voraussetzung wurde erfüllt. Die Zahl der Hinrichtungen verringerte sich jedoch noch auf zehn, da Bürgermeister Zernecke infolge Fürsprache im letzten Augenblick begnadigt wurde, zwei Bürger entflohen und einer sein Schicksal dadurch abwendete, dass er zur katholischen Kirche übertrat. Die Exekution der übrigen fand am 7. Dezember 1724 statt. Während Roesner auf dem Hofe des Rathauses "in ehrenvoller Weise" mit dem Schwerte hingerichtet wurde, wurden die neun Bürger, deren Enthauptung auf dem Markte - bei Anwesenheit einer großen Menschenmenge - vorgenommen wurde, noch vorher - gemäß dem Urteil - grausam verstümmelt. Dabei wurde einem der Verurteilten der Leib aufgeschlitzt, das Herz herausgerissen und mit den Worten "Sehet, das ist ein lutherisch Herz" den versammelten Zuschauern präsentiert.
Dieses Blutgericht als Justizmord erregte in vielen europäischen Ländern
Abscheu und Entsetzen. Die polnischen Jesuiten jedoch genossen den Triumph, eine stolze "ketzerische" Stadt zu demütigen und die Ketzer der wohlverdienten Strafe zuzuführen.
Der evangelischen deutschen Mehrheit Thorns wurde die einzige ihnen noch verbliebene Pfarrkirche zu St. Marien weggenommen. Ferner wurde verfügt, dass fortan alle drei Ordnungen der Stadt - Rat, Schöppenkollegium und Dritte Ordnung - zur Hälfte aus Katholiken bestehen sollten.
Weitere
Infos:
Auszug aus einem Bericht über das Thorner Blutgericht: ... So war es ein vulkanischer Boden, auf dem
Rösner stand, und ein geringer Stoß konnte genügen, die in der Tiefe wühlenden Flammen zum Ausbruch zu bringen. Dieser Anstoß fand sich in dem am 16. Juli 1724 in Thorn entstehenden Tumult.
Bei einer Prozession war es zu Prügeleien zwischen Jesuitenschülern und lutherischen Bürgern gekommen, die sich auch am 17. fortsetzten. Da überfielen die Jesuitenzöglinge einen an den Händeln ganz
unbeteiligten evangelischen Gymnasiasten Nagurny, der im Schlafrocke vor der
Türe seines Hauswirts stand, und schleppten ihn unter Misshandlungen in ihre Schule.
Die Kunde von der Gewalttat verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den von den vorstädtischen Biergärten heimkehrenden Handwerksgesellen, die dort soeben in üblicher Weise den Montag gefeiert hatten. Der erbitterte Volkshaufe sammelte sich am Jesuitenkloster und begann es regelrecht zu belagern.
Rösner, der in jenem Jahre Präsident war, sandte auf die Meldung vom Tumult
Stadtsekretär Wedemeyer ins Kloster und ließ Rektor Czyzewsky auffordern, Nagurny herauszugeben, was aber erst nach einer nochmaligen Aufforderung geschah.
Die Stadtmiliz hatte sich inzwischen unter
Kapitän Graurock’s Führung gänzlich unzuverlässig gezeigt, statt den Volkshaufen auseinander zu treiben, war sie wieder auf die Stadtwache zurückmarschiert.
Rösner bot jetzt die Bürgerwache des „Altthorner“ und später noch die des „Johannisquartiers“ auf, doch vermochten auch die erschienenen Bürger die überschäumende
Volkswut nicht zu dämpfen. Nun ließ das Stadtoberhaupt Graurock vor sich kommen und befahl ihm in die Schule einzurücken und von dort auf die Menge zu schießen. Der feige
Kapitän erwiderte, „hierzu könne er sich nicht resolvieren, wo würde er mit seiner Mannschaft bleiben? Wenn er auf das Volk schieße, würde die [polnische] Krongarde sich desselben annehmen und wieder auf die Stadtsoldaten feuern. Auch das Volk würde sich zur Wehr setzen, und es möchte ein Blutvergießen entstehen, welches er nicht verantworten könne. Er könne und wolle es nicht
tun.“
Rösner zuckte die Achseln und hielt ebenso wie Wedemeyer und andere anwesende Bürger die geplante Maßregel für gefährlich,
so dass von ihr Abstand genommen wurde. Diese augenblickliche Schwäche, die zu seiner sonstigen Energie wenig stimmt, ist das Einzige, was
Rösner hierbei vorgeworfen werden kann. Sie ist wohl aus der unsicheren Stellung Rösners im
Rate zu erklären. Wären einige lutherische Bürger von der Stadtmiliz niedergeschossen, so hätte er sich vor den Angriffen seiner
Kollegen kaum retten können.
Der Tumult nahm so weiter seinen Lauf. Schließlich drang der bis zur Siedehitze entflammte Volkshaufe in die Schule und ins Kloster, zerschlug Alles, was nicht niet- und nagelfest war, warf die Trümmer zu den Fenstern hinaus und zündete auf der Straße ein Feuer an. Die Jesuiten behaupteten, dass dabei Heiligenbilder, auch eine Bildsäule der Maria unter Spottreden verbrannt seien. Schließlich machte die Krongarde den Pöbel-Ausschreitungen ein Ende.
Die Jesuiten klagten nun die ganze Stadt aufs leidenschaftlichste beim Warschauer Hofgericht an und gaben
Rösner Schuld, er habe den Volksaufstand absichtlich angestiftet und gewähren lassen, obwohl doch schon das Aufgebot der beiden „Bürgerquartiere“ das
Gegenteil bewies. Das Hofgericht sandte im September eine Untersuchungskommission von nicht weniger als 23 Würdenträgern nach Thorn, welche viele Verhaftungen vornahm, höchst verdächtige Personen Zeugenaussagen (die dem
Rate nicht mitgeteilt wurden, auch später nie veröffentlicht sind) machen ließ, die
Entlastungszeugen der Angeschuldigten hingegen ablehnte und schließlich 2.800 Dukaten für ihre Mühe von der verarmten Stadt zu erpressen suchte.
Das unter dem 30. Oktober erlassene
Urteil des Hofgerichts erfüllte die kühnsten Hoffnungen der Kläger. Rösner sowie
Vizepräsident Zernecke und zwölf Bürger wurden zum Tode verurteilt, die Hälfte des
Rats, der Schöppenschaft und der dritten Ordnung sollte fortan mit Katholiken besetzt werden. Den Lutheranern wurde die letzte Kirche, die ihnen noch geblieben war, die Marienkirche abgenommen, das Gymnasium sollte aufgehoben oder auf ein Dorf verlegt werden.
Man scheint bis zuletzt gehofft zu haben, dass dies ungeheuerliche Urteil nicht in seiner vollen Strenge vollstreckt werden würde. Der
Rat und die Bürgerschaft, durch Uneinigkeit aufs tiefste zerspalten und durch die Kriegsjahre finanziell zu geschwächt, um die in Polen erforderlichen
„Devinctionen“ den Machthabern in genügender Höhe zu zahlen, vermochte dem Unheil nicht zu wehren. Der Kronunterkämmerer Fürst Georg Lubomirski, das fanatischste
Kommissionsmitglied, erschien Anfang Dezember, und polnische Truppen wurden in die Stadt gezogen.
Bei Rösner, der in seinem Hause bewacht wurde, liefen noch am Tage vor seinem Tode Mönche und katholische Laien ein und aus und versprachen ihm sofortige Begnadigung, wenn er katholisch würde. Dass diese Lockungen keine leeren waren, bewies das Schicksal des einen der zum Tode
Verurteilten, David Heyder, der übertrat und sofort aus der Haft entlassen und von den Jesuiten in Schutz genommen wurde.
Rösner bestand die schwere Anfechtung. Nachdem er sich zunächst Bedenkzeit ausgebeten, erklärte er den beiden Bernhardinermönchen, die man an ihn abgesandt hatte, er sei auf den evangelischen Glauben getauft und wolle, wenn keine Gnade für ihn wäre, auf ihn auch sterben, wiewohl er den Tod nicht verschuldet habe.
Noch in der Nacht drang man aufs neue in ihn, da rief er den Quälgeistern das heldenmütige Wort zu: „Vergnüget Euch mit meinem Kopf, die Seele muss Jesu haben.“ In der Frühe des 7.
Dezembers um 5 Uhr wurde er auf dem Hofe des Rathauses, bis zuletzt Gesangbuchsverse betend, durch den Scharfrichter mit dem Schwerte zu Tode gebracht und Tags darauf in aller Stille vor dem Altare der vorstädtischen Georgenkirche bestattet.
Das „Thorner Blutgericht“ rief in ganz Europa ungeheuere Aufregung hervor, namentlich Friedrich Wilhelm I.
geriet in hellsten Zorn und hätte am liebsten deswegen mit Polen Krieg angefangen.
Rösner ist demnach, obwohl ein Weltmann und zunächst irdischen Interessen
zugetan, den Märtyrern der evangelischen Kirche zuzuzählen.
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