Eröffnung
der Universität Rinteln
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am 17. Juli 1621.
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Eine
Stiftung von Fürst Ernst zu Schaumburg
auf Schloss Bückeburg
.
ABCDABCD Am Beginn des 17. Jahrhunderts gab es weder in Hamburg noch in Bremen, weder in Hannover noch in Berlin eine Universität. Aber die kleine Stadt Rinteln
an der Weser im kleinen Fürstentum Schaumburg
leistete sich eine richtige Universität. Ausgangspunkt war das im Jahre 1610 von Graf Ernst von Schaumburg und Holstein in Stadthagen
gegründete, auf einer seit 1330 bestehenden lateinischen Stadtschule basierende,
'Akademische Gymnasium illustre', das bereits vier Fakultäten und einen vollakademischen Unterrichtsbetrieb aufwies. Zur Anerkennung als vollwertige Universität fehlte noch das kaiserliche Privileg, das das Promotionsrecht verlieh.
Zur Erlangung des Privilegs musste Ernst dem Kaiser Ferdinand II.
100.000 Gulden als Darlehen geben, erhielt dafür aber noch zusätzlich den Fürstentitel. Bei Beantragung des Privilegs war bereits an eine Verlegung nach Rinteln gedacht worden, da diese Stadt aufgrund ihrer Lage an der Weser besser zu erreichen war.
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Die neue Alma Mater Ernestina zog in Rinteln in das ehemalige katholische Jakobskloster ein. Teile des Klosters wurden zur „Kommunität” (Studentenwohnheim), zum „Konviktorium“ (Mensa) der Stipendiaten und zu zwei Hörsälen umgestaltet. Eine Bibliothek, ein Instrumentenzimmer, eine Apotheke usw. wurden eingerichtet, und die Kirche wurde Universitätskirche. ABCD Am 17. Juli 1621
wurde die neue Universität mit einem feierlichen Gottesdienst in der Nikolai-Kirche eröffnet.
Aufnahmebedingung an einer Universität war in der Regel lediglich das fließende Beherrschen des Lateinischen im gesprochenen Wort und in der Schrift.
Die Studenten waren im Durchschnitt etwa 14 bis 17 Jahre alt. Aber sie waren ‚Herren’. Und sie benahmen sich gegenüber den Bürgern der Stadt Rinteln auch als solche. Zum Zeichen ihres Standes trugen sie Waffen und waren durchaus auch bereit, diese zu benutzen.
Das brachte ihnen die Ablehnung der Rintelner Bürger ein. Zumal diese dem Treiben der Studenten hilflos zusehen mussten.
Die Universität war gewissermaßen inmitten der Stadt ein eigener Staat mit Sonderrechten und Privilegien. ABCD Die Stadt selbst gab sich damals allerdings alles andere als begeistert von der neuen Ehre, die ihr der Uni-Gründer Fürst Ernst zugedacht hatte. Das bäuerliche Stadtleben war nicht auf einen Ansturm von jungen Akademikern und ihren Professoren eingerichtet: Schon wurde von höchster Stelle
gefordert, dass die stinkenden Misthaufen vor den Türen der Ackerbürger zu beseitigen wären, dass bessere Waren als bisher im Angebot zu sein hätten und ja genug Bier und Wein für durstige Studentenkehlen. Neuer Wohnraum musste organisiert, ein Kredit aufgenommen werden, für den Bau einer Apotheke, und natürlich galt es, eine Studentenkneipe zu eröffnen.
Das Verhältnis von Professoren und Studenten war jedoch beneidenswert eng und vertraut, das Essen zumindest im Studentenwohnheim, der sogenannten Kommunität in den Räumlichkeiten der Universität, war reichhaltig, deftig, mit viel Fleisch und reichlich Bier. ABCD Das alles versprach zwar einerseits einen wirtschaftlichen Aufschwung. Andererseits aber war abzusehen, dass das Zusammenleben mit Professoren und Studenten auch seine ärgerlichen Seiten haben würde. Steuern brauchten die Universitätsangehörigen nicht zu bezahlen. Und wenn Studenten sich etwa weigerten, ausstehende Rechnungen zu begleichen oder sonst für einen angerichteten Schaden einzustehen, dann war es höchst schwierig, oft unmöglich, seine Rechte einzuklagen, da die Universitätsangehörigen nicht der städtischen Gerichtsbarkeit unterstanden. Zu den Sonderrechten der Studenten zählte übrigens auch eines, das nebenbei anschaulich macht, wie einfach die damaligen Lebensverhältnisse waren: Im Gegensatz zu allen anderen Einwohnern brauchten Studenten, die bei ihrem Professor einquartiert waren, nicht dreimal laut „Kopf weg!" zu warnen, bevor sie ihren Nachttopf aus dem Fenster auf die Straße ausleerten, sondern nur ein einziges
Mal.
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Fürst Ernst von Schaumburg-Holstein hatte sich sehr darum bemüht, an seiner Universität das Wissen seiner Zeit möglichst vielen Studenten vollständig und durch gute Professoren vermittelt zu präsentieren.
Dazu gab er seiner Universität eine gesunde wirtschaftliche Ausstattung, zahlreiche und ausreichend dotierte Stipendien, so wie eine fortschrittliche Universitätsverfassung mit auf den Weg.
Mehr noch: in der damaligen Zeit des Konfessionalismus (das heißt, man studierte nur an einer Universität, deren Lehrer dem eigenen Glauben zugehörten) berief er sowohl lutherische wie calvinistische Hochschullehrer, um eine hohe Qualität der Lehre zu sichern.
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Zwischen den katholischen Universitäten im Westen und mit Helmstedt als der nächsten lutherischen Universität im Osten konnte die Uni Rinteln auf ein gutes Einzugsgebiet für künftige Studenten hoffen. Zumal die nächsten lutherischen Universitäten im Norden in Rostock und Kopenhagen waren.
Gute Voraussetzungen für eine passable Zukunft waren also gegeben. An der
neuen Universität lehrten während ihrer besseren Zeiten rund 12 bis 15 Professoren in vier Fakultäten (Theologie, Jura, Medizin und Philosophie). Bis zu 100–130 Studenten waren eingeschrieben. Der Hochschulbetrieb mit Sitz im Kollegiengebäude, dem früheren Jakobskloster, verfügte über zwei Hörsäle, eine „Kommunität” (Studentenwohnheim), ein „Konviktorium“ (Mensa), eine Bibliothek, ein Instrumentenzimmer, eine Buchdruckerei, eine Apotheke, einen botanischen Garten, eine Propstei (Güterverwaltung), ein „Anatomicum“, sowie ab 1762 eine regelmäßig erscheinende Zeitung. Zu den so genannten „Universitätsverwandten” gehörten Tanz- und Fechtmeister, Reit- und Französischlehrer. Die Universitätskommisse war Herberge und Schanklokal der Akademie: Hier konnten Professoren und Studenten unbehelligt vom städtischen Schankmonopol zu niedrigen Preisen Bier und Wein trinken.
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Im Januar 1622 starb Fürst Ernst, und mit seinem Tod scheiterte auch sein konfessionelles Experiment. Die calvinistischen Juristen
verließen Rinteln nach erbittertem Streit mit den lutherischen Theologen.
1623 berührte dann auch noch der 30 jährige Krieg die Stadt. Professoren und Studenten
flohen. 1626/27 wütete die Pest in Rinteln, In einem halben Jahr forderte sie rund 700 Todesopfer.
1630 bis 1633 hatten die kaiserlichen Truppen Tillys in der Region die Oberhand. In Folge dessen
wurde das Universitätsgebäude wieder zum Kloster. Die Uni war drei Jahre lang heimatlos. ABCD Die
Universität Rinteln hatte sich bald durch ihre vielen juristischen Gutachten
zu Hexenprozessen einen fragwürdigen Ruf erworben. Bekannt als Hexen-Jurist
war besonders Professor Hermann Goehausen ,
der nach Studium und Promotion von 1622 bis 1632 als Professor an der Universität
Rinteln wirkte. Sein erstes größeres, 1629 in Rinteln erschienenes Werk
'Decisio Trium Quaestionum Usu frequentium'
beschäftigte sich mit drei Fragestellungen aus dem Umfeld der Hexenprozesse: 1. Ob die „kalte Wasserprobe“ zuverlässig und legitim sei. 2. Ob der Richter eine ihm angezeigte Person der Folter unterwerfen solle. 3. Ob die Berichte über nächtliche Hexentreffen wahr seien.
In seinem 1630 in Rinteln erschienenen Werk 'Rechtlicher Proceß / Wie man gegen Unholdten und Zauberische Personen verfahren soll'
verlieh Goehausen der besonderen Stellung der Rintelner Juristenfakultät in den Hexenprozessen Ausdruck. Als Mitglied des
Hexen-Spruchkollegiums zitierte Goehausen darin häufig Fälle aus der Rintelner
Praxis als Anschauungsmaterial. Goehausens Schwester Katharina Cothmann
wurde 1654 als Hexe in Lemgo hingerichtet. Ihr Sohn Hermann Cothmann
wurde in Lemgo als „Hexenbürgermeister“ bekannt.
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1640 starb das Fürstenhaus Schaumburg-Holstein aus. Es folgten sieben Jahre lang Erbstreitigkeiten.
Im Verlauf des 30 jährigen Krieges konnten natürlich auch die Güter und Schenkungen, die das wirtschaftliche Gerüst der Universität waren, nicht die Erträge erwirtschaften, die nötig gewesen wären, um das akademische Leben an der Uni aufrecht zu erhalten.
1647 klärten sich die politischen Machtverhältnisse. Rinteln kam zu Hessen-Kassel. Und damit
zu einem Staat, der in Marburg bereits über eine Universität verfügte.
Rinteln wurde zur Festung ausgebaut. Die etwa 100 Soldaten in Rinteln verschärften für die Studenten das ohnehin schon schwierige Wohnungsproblem. Denn die Stadt
konnte sich wegen der ständigen Hochwassergefahr damals nicht ungehindert ausbreiten.
Obwohl die Erträge der der Universität zugeordneten Güter und Mühlen wuchsen, hatte die Universität nichts davon. Die Landesregierung beließ die Zuwendungen an die Universität auf dem Niveau des 30-jährigen Krieges und
strich die wachsenden Erträge selbst ein.
Zwischen 1680 und 1750 stagnierte die Universität in Rinteln. Zudem ging die Zahl der Studenten nach der Gründung der Universität Göttingen
(1732) zurück. Ab 1750 setzte dann nicht zuletzt aufgrund der langen Jahre dieser Stagnation ein Verfall ein.
Dies Schicksal teilte Rinteln mit vielen anderen kleineren Universitäten in Deutschland. In Deutschland
gab es ein Überangebot von solch kleinen Universitäten mit schlechter Ausstattung. Darüber hinaus
verhinderte die damals übliche restriktive Hochschulpolitik notwendige Reformen.
Die Landesherren waren allerdings aus Prestigegründen nicht bereit, ihre eigentlich nicht mehr lebensfähigen Universitäten zu schließen.
Deren wirtschaftlich schlechte Ausstattung führte dazu, dass nur schlechte bis mittelmäßige Professoren an ihnen
lehrten. Schlechte Professoren lockten keine Studenten an.
1801 studierten in Rinteln weniger als 30 Studenten. Ihnen standen 11 Professoren gegenüber, die allerdings ihr Geld überwiegend woanders
verdienten. Und so kam es nach vielen Gutachten und einem eher halbherzigen Versuch, 1804 die Universität Rinteln doch noch zu retten, 1809 in französischer Zeit unter
König Jérôme Bonaparte , dem Bruder
des Kaisers Napoleon, zum Befehl, die Universität zu schließen. Das noch vorhandene Vermögen der Universität
wurde allen Schulen im Königreich Westfalen, aber vor allem den drei verbleibenden Universitäten Göttingen, Halle und Marburg, als Studienfond zur Verfügung gestellt.
Auch das Inventar und die Bibliothek wurden aufgeteilt. Der Rest verblieb in Rinteln und
wurde später dem Gymnasium ‚Ernestinum’ als Nachfolger des Universität ‚Ernestina’ übergeben.
Das ohnehin baufällige Universitätsgebäude wurde 1876 bis auf die Universitätskirche, der heutigen reformierten Kirche, abgerissen.
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